Entscheidungsstichwort (Thema)
Achte EG-Richtlinie, Einfuhrumsatzsteuer, Vorsteuervergütung bei Aufwendungen, die nicht einer Endverwendung zugeführt werden, Vorsteuervergütungsverfahren bei Einfuhren ohne Endverwendung
Leitsatz (amtlich)
Die Achte Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige ist in Verbindung mit Art. 170 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen, dass sie dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat einem nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen den Anspruch auf Erstattung der für die Einfuhr von Gegenständen entrichteten Mehrwertsteuer in einer Fallkonstellation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verwehrt, in der die Durchführung des Vertrags, in dessen Rahmen der Steuerpflichtige diese Gegenstände gekauft und eingeführt hat, zum Zeitpunkt der Einfuhr ausgesetzt war, der Umsatz, für den sie verwendet werden sollten, letztlich nicht bewirkt wurde und der Steuerpflichtige nicht den Nachweis über ihren weiteren Verkehr erbracht hat.
Normenkette
EWGRL 1072/79
Beteiligte
Directia Generala Regionala a Finantelor Publice Bucuresti |
Verfahrensgang
Înalta Curte de Casatie si Justitie (Rumänien) (Beschluss vom 22.06.2016; ABl. EU 2016, Nr. C 419/50) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Mehrwertsteuer ‐ Achte Richtlinie 79/1072/EWG ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ In einem anderen Mitgliedstaat ansässiger Steuerpflichtiger ‐ Erstattung der Mehrwertsteuer auf eingeführte Gegenstände ‐ Voraussetzungen ‐ Objektive Anhaltspunkte, die die Absicht des Steuerpflichtigen belegen, die eingeführten Gegenstände im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten zu verwenden ‐ Ernsthafte Gefahr, dass der die Einfuhr rechtfertigende Umsatz nicht bewirkt wird“
In der Rechtssache C-441/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) mit Entscheidung vom 22. Juni 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 8. August 2016, in dem Verfahren
SMS group GmbH
gegen
Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. Berger (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Levits und F. Biltgen,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der SMS group GmbH, vertreten durch E. Băncilă, avocat,
‐ der rumänischen Regierung, vertreten durch R.-H. Radu, C.-M. Florescu und R.-M. Mangu als Bevollmächtigte,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Galluzzo, avvocato dello Stato,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und L. Radu Bouyon als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 2 bis 6 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (ABl. 1979, L 331, S. 11, im Folgenden: Achte Richtlinie) und von Art. 17 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SMS group GmbH und der Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Bukarest, Rumänien) (im Folgenden: Steuerbehörde) wegen der Erstattung der von SMS group in Rumänien im Laufe des Jahres 2009 entrichteten Mehrwertsteuer.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Das Ausgangsverfahren betrifft einen Antrag auf Mehrwertsteuererstattung, der am 23. Dezember 2009 im Anschluss an eine am 14. September 2009 erfolgte Einfuhr von Gegenständen gestellt wurde. Folglich sind im vorliegenden Fall die Achte Richtlinie und die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) zeitlich anwendbar.
Achte Richtlinie
Rz. 4
Art. 1 der Achten Richtlinie sieht vor:
„Für die Anwendung dieser Richtlinie gilt als nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger derjenige Steuerpflichtige …., der in dem Zeitraum nach Artikel 7 Absatz 1 erster Unterabsatz Sätze 1 und 2 in diesem Land...