Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Wareneinführers, Externes gemeinschaftliches Versandverfahren, Nichtgestellung von Waren an der Bestimmungszollstelle
Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff „Warenführer“, der nach Art. 96 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 648/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 geänderten Fassung verpflichtet ist, die Waren unverändert der Bestimmungszollstelle zu gestellen, ist dahin auszulegen, dass er jede Person, einschließlich eines Unterfrachtführers, bezeichnet, die die Beförderung der dem externen gemeinschaftlichen Versandverfahren unterliegenden Waren tatsächlich durchführt sowie diese Beförderung angenommen hat und weiß, dass die Waren diesem Verfahren unterliegen.
2. Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 648/2005 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Unterfrachtführer wie der des Ausgangsverfahrens, der zum einen dem Hauptfrachtführer die Waren zusammen mit dem Versanddokument auf dem Parkplatz der Bestimmungszollstelle übergeben und zum anderen diese Waren anlässlich einer Weiterbeförderung erneut übernommen hatte, nur dann verpflichtet war, sich zu vergewissern, dass sie bei der Bestimmungszollstelle gestellt worden waren, und ‐ wenn dies nicht der Fall war ‐ dafür haftbar gemacht werden kann, falls er bei der neuerlichen Übernahme dieser Waren wusste, dass das Versandverfahren nicht vorschriftsgemäß beendet worden war. Dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 96 Abs. 2
Beteiligte
Verfahrensgang
Kúria (Ungarn) (Beschluss vom 29.09.2015; Abl.EU 2016, Nr. C 27/9) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Zollkodex der Gemeinschaften ‐ Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 ‐ Art. 96 ‐ Externes Versandverfahren ‐ Begriff ‚Warenführer‘ ‐ Keine Gestellung der Waren an der Bestimmungszollstelle ‐ Haftung ‐ Unterfrachtführer, der die Waren auf dem Parkplatz der Bestimmungszollstelle an den Hauptfrachtführer übergeben und diese Waren anlässlich einer Weiterbeförderung erneut übernommen hat“
In der Rechtssache C-547/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) mit Entscheidung vom 29. September 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Oktober 2015, in dem Verfahren
Interservice d.o.o.Koper
gegen
Sándor Horváth
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter), der Richter E. Juhász und C. Vajda, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Horváth, vertreten durch J. Ocsák, ügyvéd,
‐ der ungarischen Regierung, vertreten durch G. Koós und M. Z. Fehér als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Grønfeldt und A. Sipos als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Juli 2016
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 96 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 648/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 (ABl. 2005, L 117, S. 13) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Interservice d.o.o. Koper und Herrn Sándor Horváth über die Rückforderung von Zöllen, die von dieser in ihrer Eigenschaft als „Hauptverpflichtete“ an die slowenischen Zollbehörden gezahlt wurden, nachdem von Herrn Horváth als Unterfrachtführer im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren beförderte Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden waren.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
In Art. 4 Nr. 21 des Zollkodex wird der Begriff „Inhaber des Zollverfahrens“ definiert als „die Person, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird, oder die Person, der die Rechte und Pflichten der vorgenannten Person im Zusammenhang mit einem Zollverfahren übertragen worden sind“.
Rz. 4
Art. 37 des Zollkodex lautet:
„(1) Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, unterliegen vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht Zollkontrollen unterzogen werden.
(2) Sie bleiben so lange unter zollamtlicher Überwachung, wie es für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status erforderlich ist, und, im Fall von Nichtgemeinschaftswaren unbeschadet des Artikels 82 Absatz 1, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wiederausgeführt oder nach Artikel 182 vernichtet oder zerstört werden.“
Rz. 5
Art. 92 des Zollkodex sieht vor:
„(1) Das ext...