Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung, Leistungen im Zusammenhang mit Sport, Bridge-Spiel, Begriff des Sports
Leitsatz (amtlich)
Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass eine Tätigkeit wie Duplicate-Bridge, die durch eine unbedeutend erscheinende körperliche Komponente gekennzeichnet ist, nicht unter den Begriff „Sport" im Sinne dieser Bestimmung fällt.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. m
Beteiligte
The English Bridge Union Limited |
Commissioners for HM Revenue & Customs |
Verfahrensgang
Upper Tribunal (Vereinigtes Königreich) (Beschluss vom 01.09.2015; ABl. EU 2016, Nr. C 145/23) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Befreiung von Dienstleistungen, die in engem Zusammenhang mit Sport stehen ‐ Begriff "Sport" ‐ Tätigkeit, die durch eine körperliche Komponente gekennzeichnet ist ‐ Duplicate-Bridge"
In der Rechtssache C-90/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) (Rechtsmittelgericht [Kammer für Steuer- und Finanzsachen], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 1. September 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Februar 2016, in dem Verfahren
The English Bridge Union Limited
gegen
Commissioners for Her Majestys Revenue & Customs
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer sowie des Richters E. Juhász, der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der The English Bridge Union Limited, vertreten durch M. Lewis, Solicitor, und D. Ewart, QC,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brandon als Bevollmächtigten im Beistand von R. Hill, Barrister,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. Noort als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und R. Lyal als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juni 2017
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der The English Bridge Union Limited (im Folgenden: EBU) und den Commissioners for Her Majestys Revenue and Customs (Steuer- und Zollbehörde des Vereinigten Königreichs, im Folgenden: Steuerbehörde) über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit von Eintrittsgeldern, die die EBU für von ihr veranstaltete Duplicate-Bridge-Turniere erhebt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Gemäß ihren Art. 411 und 413 wurden mit der Richtlinie 2006/112 ab dem 1. Januar 2007 die Vorschriften der Union im Bereich der Mehrwertsteuer, insbesondere die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1), aufgehoben und ersetzt.
Rz. 4
Nach Art. 132 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 in deren Titel IX Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten") befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer:
„…
m) bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben;
n) bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen erbracht werden;
…"
Recht des Vereinigten Königreichs
Rz. 5
Schedule 9 Group 10 des Value Added Tax Act 1994 (Mehrwertsteuergesetz 1994) sieht vor, dass folgende Dienstleistungen in Verbindung mit Sport von der Mehrwertsteuer befreit sind:
„(1) Die Zulassung zur Teilnahme an einem Wettbewerb im Bereich des Sports oder der körperlichen Erholung, wenn die Gegenleistung für die Zulassung in einem Geldbetrag besteht, der vollständig der Bereitstellung eines oder mehrerer in diesem Wettbewerb verliehener Preise zufließt.
(2) Die Zulassung durch eine qualifizierte Einrichtung, die zu Zwecken des Sports oder der körperlichen Erholung errichtet worden ist, zur Teilnahme an einem eine solche Aktivität betreffenden Wettbewerb.
(3) Durch eine qualifizierte Einrichtung für eine Einzelperson erbrachte Dienstleistungen, die mit Sport oder Körperertücht...