Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuererhebung, Besteuerungsgrundlage, Steuererhebung auf der Stufe des Produzenten bei Tabakwaren, Steuerbanderole, Vorsteuerabzug des Zwischenhändlers
Leitsatz (amtlich)
Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2004/7/EG des Rates vom 20. Januar 2004 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegenstehen, die dadurch, dass sie bei Tabakwaren zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung oder -umgehung vorsieht, dass die Mehrwertsteuer mittels Steuerbanderolen in einem Mal und an der Quelle beim Hersteller oder Importeur der Tabakwaren erhoben wird, für Zwischenlieferanten, die zu einem späteren Zeitpunkt in der Kette der aufeinanderfolgenden Lieferungen tätig werden, das Recht auf Erstattung der Mehrwertsteuer ausschließt, wenn der Erwerber den Preis für diese Waren nicht zahlt.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 11 Teil C Abs. 1, Art. 27 Abs. 1, 5
Beteiligte
Verfahrensgang
Hof van Beroep te Gent (Belgien) (Urteil vom 17.11.2009; Abl.EU 2010, Nr. C 37/21) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5 ‐ Besteuerungsgrundlage ‐ Vereinfachungsmaßnahmen ‐ Tabakwaren ‐ Steuerbanderolen ‐ Einmalige Erhebung der Mehrwertsteuer an der Quelle ‐ Zwischenhändler ‐ Vollständige oder teilweise Nichtzahlung des Preises ‐ Verweigerung der Mehrwertsteuererstattung“
In der Rechtssache C-489/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hof van beroep te Gent (Belgien) mit Entscheidung vom 17. November 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 2009, in dem Verfahren
Vandoorne NV
gegen
Belgischer Staat
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Arabadjiev, U. Lõhmus, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und der Richterin P. Lindh,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: A. Calot Escobar,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Vandoorne NV, vertreten durch D. Blommaert, advocaat,
‐ der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
‐ der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und M. Afonso als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2004/7/EG des Rates vom 20. Januar 2004 (ABl. L 27, S. 44) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vandoorne NV (im Folgenden: Vandoorne) und dem Belgischen Staat wegen dessen Weigerung, Vandoorne die Mehrwertsteuer auf Tabakwarenlieferungen zu erstatten, die ihr Vertragspartner nicht bezahlt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
2. die Einfuhr von Gegenständen.“
Rz. 4
Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.“
Rz. 5
Der in Abschnitt VII „Steuertatbestand und Steueranspruch“ der Richtlinie enthaltene Art. 10 bestimmt:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie gilt als
a) Steuertatbestand: der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;
b) Steueranspruch: der Anspruch, den der Fiskus nach dem Gesetz gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt ab auf die Zahlung der Steuer geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann.
(2) Der Steuertatbestand und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bewirkt wird. …“
Rz. 6
Art. 11 Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie, der in ihrem Abschnitt VIII „Besteuerungsgrundlage“ steht, sieht vor:
„Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Besteuerun...