Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuern, Verbringen von Mineralöl zwischen einem ausländischen und inländischen Steuerlager, Fehlmenge, Energiesteuerfestsetzung auf Fehlmenge von Mineralöl, Fehlmengen bei Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG ist dahin auszulegen, dass die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung im Sinne dieser Bestimmung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens dann endet, wenn der Empfänger dieser Waren nach vollständiger Entladung des sie befördernden Transportmittels festgestellt hat, dass die Warenmenge geringer ist als die Menge, die ihm hätte geliefert werden sollen.
2. Art. 7 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 ist dahin auszulegen, dass
‐ zu den von ihnen geregelten Fällen der von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erfasste Fall nicht gehört und
‐ der Umstand, dass in einer nationalen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht ausdrücklich erwähnt wird, dass die Unregelmäßigkeit im Sinne dieser Richtlinienbestimmung die Überführung der betreffenden Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge gehabt haben muss, der Anwendung dieser nationalen Vorschrift bei der Feststellung von Fehlmengen, die notwendigerweise eine solche Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nach sich ziehen, nicht entgegenstehen kann.
3. Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2008/118 ist dahin auszulegen, dass er nicht nur dann anwendbar ist, wenn die gesamte Menge der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten Waren nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist, sondern auch dann, wenn nur eine Teilmenge dieser Waren nicht am Bestimmungsort eintrifft.
Normenkette
EGRL 118/2008 Art. 20 Abs. 2, Art. 7 Abs. 2 Buchst. a, Art. 10 Abs. 2, 4
Beteiligte
Hauptzollamt Hamburg-Stadt |
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Allgemeines Verbrauchsteuersystem ‐ Richtlinie 2008/118/EG ‐ Unregelmäßigkeit, die während der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren eingetreten ist ‐ Beförderung von Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung ‐ Zum Zeitpunkt der Lieferung fehlende Waren ‐ Erhebung der Verbrauchsteuer mangels Nachweises der Zerstörung oder des Verlustes der Waren“
In der Rechtssache C-64/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof mit Entscheidung vom 11. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Februar 2015, in dem Verfahren
BP Europa SE
gegen
Hauptzollamt Hamburg-Stadt
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und E. Regan,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der BP Europa SE, vertreten durch die Rechtsanwälte D. Völker und A. Grin,
‐ des Hauptzollamts Hamburg-Stadt, vertreten durch J. Thaler als Bevollmächtigten,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. Collabolletta, avvocato dello Stato,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Tomat und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der BP Europa SE (im Folgenden: BP Europa) und dem Hauptzollamt Hamburg-Stadt wegen der Energiesteuer, die BP Europa aufgrund der bei der Lieferung an ein in Deutschland gelegenes Steuerlager festgestellten Fehlmenge an Gasöl auferlegt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2008/118
Rz. 3
Die Richtlinie 2008/118 enthält u. a. folgende Erwägungsgründe:
„(1) Die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren [(ABl. L 76, S. 1)] wurde mehrfach in wesentlichen Punkten geändert. Da noch weitere Änderungen vorgenommen werden müssen, empfiehlt es sich aus Gründen der Klarheit, diese Richtlinie zu ersetzen.
(2) Um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, müssen die Voraussetzungen für die Erhebung von Verbrauchsteuern auf Waren, die der Richtlinie 92/12/EWG unterliegen …, harmonisiert bleiben.
…
(8) Da es nach wie vor für ein rei...