Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerrecht. Verbrauchsteuern. Bier -Möglichkeit, auf von kleinen unabhängigen Brauereien gebrautes Bier ermäßigte Verbrauchsteuersätze anzuwenden. Behandlung zweier oder mehrerer kleiner Brauereien als eine einzige kleine unabhängige Brauerei. Umsetzungspflicht
Normenkette
EWGRL 83/92 Art. 4 Abs. 2 S. 2
Beteiligte
Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö |
Verfahrensgang
Korkein hallinto-oikeus (Finnland) (Beschluss vom 20.05.2020; ABl. EU 2020, Nr. C 262/17; ABl. EU 2020, Nr. C 262/18) |
Tenor
Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der von der in Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, auf von kleinen unabhängigen Brauereien gebrautes Bier ermäßigte Verbrauchsteuersätze anzuwenden, gleichwohl nicht verpflichtet ist, zwei oder mehrere kleine Brauereien, die zusammenarbeiten und deren gemeinsamer Jahresausstoß 200 000 hl nicht übersteigt, als einzige kleine unabhängige Brauerei zu behandeln.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Finnland) mit Entscheidungen vom 20. Mai 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Mai 2020, in den Verfahren auf Antrag der
A Oy (C-221/20),
B Oy (C-223/20),
Beteiligte:
Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Sechsten Kammer I. Ziemele (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben der Präsidentin der Siebten Kammer sowie der Richter P. G. Xuereb und A. Kumin,
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2021,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der A Oy und der B Oy, vertreten durch J. Hopsu, varatuomari,
- der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. Maddalo, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Perrin, I. Koskinen und M. Huttunen als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. 1992, L 316, S. 21).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Verfahren auf Antrag der A Oy (C-221/20) und der B Oy (C-223/20), zweier als Brauereien tätiger Gesellschaften, die sich dagegen wenden, dass ihnen für die Gewährung ermäßigter Verbrauchsteuersätze die Behandlung als kleine unabhängige Brauerei verweigert wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 92/83
Rz. 3
Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 92/83 bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten können auf Bier, das von kleinen unabhängigen Brauereien gebraut wird, ermäßigte Steuersätze, die je nach Jahresausstoß der betreffenden Brauereien gestaffelt werden können, unter folgenden Voraussetzungen anwenden:
- die ermäßigten Steuersätze gelten nicht für Unternehmen, die jährlich mehr als 200 000 hl Bier herstellen;
- die ermäßigten Steuersätze, die den Mindestsatz unterschreiten können, dürfen nicht um mehr als 50 % unter dem normalen nationalen Verbrauchsteuersatz liegen.
(2) Zum Zwecke der Anwendung der ermäßigten Steuersätze gilt als ‚kleine unabhängige Brauerei’ eine Brauerei, die rechtlich und wirtschaftlich von einer anderen Brauerei unabhängig ist, Betriebsräume benutzt, die räumlich von denen anderer Brauereien getrennt sind, und kein Lizenznehmer ist. Sofern zwei oder mehrere kleine Brauereien zusammenarbeiten und deren gemeinsamer Jahresausstoß 200 000 hl nicht übersteigt, können diese Brauereien jedoch als eine einzige kleine unabhängige Brauerei behandelt werden.”
Richtlinie 92/84
Rz. 4
Im siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 92/84/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Annäherung der Verbrauchsteuersätze auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. 1992, L 316, S. 29) heißt es:
„Bier wird in den Mitgliedstaaten nach unterschiedlichen Grundsätzen besteuert; diese unterschiedliche Handhabung kann insbesondere weiterhin gestattet werden, wenn eine Mindestabgabe festgelegt wird, die sich nach dem Stammwürzegehalt und dem Alkoholgehalt des Erzeugnisses errechnet.”
Finnisches Recht
Rz. 5
§ 9 Abs. 1 und 3 des Alkoholi- ja alkoholijuomaverolaki (1471/1994) (Gesetz über die Steuer auf Alkohol und alkoholische Getränke [1471/1994]) bestimmt in seiner bis zum 31. Dezember 2014 anwendbaren Fassung:
„Wenn der Steuerpflichtige zuverlässig nachweisen kann, dass das Bier in ein...