Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Sonderregelung für Reisebüros. Anwendungsbereich. Konsolidierer von Beherbergungsdienstleistungen, der diese Leistungen im eigenen Namen kauft und ohne zusätzliche Leistungen an andere Gewerbetreibende verkauft
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 306
Beteiligte
Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej |
Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej |
C. sp. z o.o. (in Liquidation) |
Verfahrensgang
Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 26.08.2021; ABl. EU 2022, Nr. C 284/13) |
Tenor
Art. 306 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
ist dahin auszulegen, dass
die Leistung eines Steuerpflichtigen, die darin besteht, Beherbergungsdienstleistungen bei anderen Steuerpflichtigen zu kaufen und sie an andere Wirtschaftsteilnehmer weiterzuverkaufen, auch dann unter die für Reisebüros geltende Sonderregelung der Mehrwertsteuer fällt, wenn diese Dienstleistungen nicht mit zusätzlichen Leistungen verbunden sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 26. August 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Februar 2022, in dem Verfahren
Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej
gegen
C. sp. z o.o. (in Liquidation)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch O. Serdula, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch Ł. Habiak und J. Jokubauskaitė als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 306 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej (Direktor der nationalen Steuerinformationsbehörde, Polen) (im Folgenden: Steuerbehörde) und der in Liquidation befindlichen C. sp. z o.o. im Hinblick auf die Frage, ob die für Reisebüros geltende Mehrwertsteuer-Sonderregelung auf den Weiterverkauf von Beherbergungsdienstleistungen durch C. im eigenen Namen an andere Steuerpflichtige ohne zusätzliche Leistungen anwendbar ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Titel XII („Sonderregelungen”) der Mehrwertsteuerrichtlinie umfasst Kapitel 3 („Sonderregelungen für Reisebüros”), dessen Art. 306 bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten wenden auf Umsätze von Reisebüros die Mehrwertsteuer-Sonderregelung dieses Kapitels an, soweit die Reisebüros gegenüber dem Reisenden in eigenem Namen auftreten und zur Durchführung der Reise Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nehmen.
Diese Sonderregelung gilt nicht für Reisebüros, die lediglich als Vermittler handeln und auf die zur Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe c anzuwenden ist.
(2) Für die Zwecke dieses Kapitels gelten Reiseveranstalter als Reisebüro.”
Rz. 4
Art. 307 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Die zur Durchführung der Reise vom Reisebüro unter den Voraussetzungen des Artikels 306 bewirkten Umsätze gelten als eine einheitliche Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden.
Die einheitliche Dienstleistung wird in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat.”
Rz. 5
Art. 308 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Für die von dem Reisebüro erbrachte einheitliche Dienstleistung gilt als Steuerbemessungsgrundlage und als Preis ohne Mehrwertsteuer im Sinne des Artikels 226 Nummer 8 die Marge des Reisebüros, das heißt die Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten, die dem Reisebüro für die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugutekommen.”
Rz. 6
Art. 309 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Werden die Umsätze, für die das Reisebüro andere Steuerpflichtige in Anspruch nimmt, von diesen außerhalb der [Europäischen] Gemeinschaft bewirkt, wird die Dienstleistung des Reisebüros einer gemäß Artikel 153 von der Steuer befreiten Vermittlungstätigkeit gleichgestellt.
Werden die in Absatz 1 genannten Umsätze sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinscha...