Leitsatz
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff des Brennholzes in Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass er jegliches Holz umfasst, das nach seinen objektiven Eigenschaften ausschließlich zum Verbrennen bestimmt ist?
2. Kann ein Mitgliedstaat, der auf der Grundlage von Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG einen ermäßigten Steuersatz für Lieferungen von Brennholz schafft, dessen Anwendungsbereich entsprechend Art. 98 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112/EG anhand der Kombinierten Nomenklatur genau abgrenzen?
3. Falls die zweite Frage zu bejahen ist: Darf ein Mitgliedstaat die ihm durch Art. 122 der Richtlinie 2006/112/EG und Art. 98 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112/EG eingeräumte Befugnis, den Anwendungsbereich der Steuersatzermäßigung für Lieferungen von Brennholz anhand der Kombinierten Nomenklatur abzugrenzen, bei Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität so ausüben, dass die Lieferungen verschiedener Formen von Brennholz, die sich nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften unterscheiden, aber aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nach dem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung demselben Bedürfnis (hier: Heizen) dienen und somit miteinander in Wettbewerb stehen, unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen?
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 1, Anlage 2 Nr. 48 UStG, Art. 98 Abs. 3, Art. 122 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin lieferte im Streitjahr 2015 Waldhackschnitzel an die Gemeinde A und Industriehackschnitzel an das Pfarramt B. Das Finanzamt ging für diese Lieferungen von der Anwendung des Regelsteuersatzes aus. Das Finanzgericht (FG München, Urteil vom 19.12.2017, 2 K 668/16, Haufe-Index 11530420, EFG 2018, 509) gab der Sprungklage hiergegen statt (und wies die Klage hinsichtlich eines anderen Streitpunkts ab). Hiergegen legte das Finanzamt Revision ein (wie auch die Klägerin hinsichtlich des anderen Streitpunkts).
Entscheidung
Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die in den Leitsätzen bezeichneten Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vor. Das Verfahren ist beim EuGH unter dem Az. C-515/20 Rechtssache Finanzamt A anhängig.
Hinweis
1. Bei einer zolltariflichen Abgrenzung kommt der ermäßigte Steuersatz auf die Lieferung von Holzhackschnitzeln nicht in Betracht, weil diese als Holz in Form von Schnitzeln in die Unterpositionen 4401 21 00 oder 4401 22 00 KN einzugruppieren sind und damit nicht von § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 48 der Anlage 2 zum UStG erfasst werden.
Die Waldhackschnitzel werden aus Wipfelholz oder Schwachholz bei der Waldpflege gewonnen. Das Waldrestholz wird im Wald mechanisch zerhackt und anschließend getrocknet. Hier scheidet eine Einordnung als Holzabfall oder Holzausschuss der – früheren – Unterposition 4401 30 KN (nunmehr: Unterpositionen 4401 31 oder 4401 39 KN) aus, weil die Waldhackschnitzel aus Wipfelholz oder Schwachholz bei der Waldpflege und damit aus Rohholz der Position 4403 KN gewonnen werden.
Die Industriehackschnitzel bestehen aus dem beim Zerlegen von Baumstämmen anfallenden Sägerestholz, das mittels mit Hackmessern ausgestatteten Häckslern zu Holzhackschnitzeln zerkleinert wird. Hier kommt eine Einordnung als Holzabfall oder Holzausschuss der – früheren – Unterposition 4401 30 KN (nunmehr: Unterpositionen 4401 31 oder 4401 39 KN) nicht in Betracht, weil Abfallverwertungsprodukte nach allgemeinem Sprachverständnis selbst nicht mehr als Abfall anzusehen sind.
2. Der BFH zweifelt, ob die sich hieraus nach nationalem Recht ergebende Versagung der Steuersatzermäßigung für Holzhackschnitzel mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
a) Der BFH sieht es dabei als möglich an, dass die von Art. 122 MwStSystRL eingeräumte Ermächtigung, einen ermäßigten Steuersatz auf Brennholz anzuwenden, jegliches Holz umfasst, das nach seinen objektiven Eigenschaften ausschließlich zum Verbrennen bestimmt ist.
b) Es stellt sich dann die Frage, ob die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Ermächtigung für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Steuersatzermäßigung nach der KN differenzieren können.
c) Schließlich stellt sich die Frage, ob der Verbrauchersicht eine vorrangige Bedeutung zukommt. Aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers weisen die Holzhackschnitzel keine wesentlichen Unterschiede zu anderen Formen von Brennholz (wie z.B. zu als Pellets oder Briketts gepressten Holzabfällen, auf deren Lieferung der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist) auf, da sie gleichermaßen zur Verbrennung und Wärmegewinnung in Heizanlagen verwendet werden.
Rechtsprechungsänderung möglich
Der BFH hat bislang die Lieferung von Holzhackschnitzeln als nicht steuersatzermäßigt angesehen (BFH, Urteil vom 26.6.2018, VII R 47/17, BFHE 261, 569). Damit zeichnet sich – in Abhängigkeit der noch ausstehenden Beurteilung durch den EuGH – unter Umständen eine Rechtsprechungsänderung ab.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 10.6.2020 – V R 6/18