Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Zuschüsse zur Förderung von Existenzgründern aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und aus Landesmitteln im Rahmen des Programms "Arbeit und Qualifizierung für Sachsen" sind nicht steuerfrei.
Normenkette
§ 3 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger hatte sich in Sachsen als Freiberufler selbstständig gemacht, nachdem sein früherer Arbeitgeber in Konkurs gefallen war. Nach einem Förderprogramm des Landes Sachsen erhielt er aus Landesmitteln und Mitteln des ESF ein Jahr lang einen Existenzgründungszuschuss von 500 DM pro Woche.
Der Kläger hielt den Zuschuss für steuerbefreit nach § 3 Nr. 2 EStG und hatte mit seiner Auffassung vor dem FG auch Erfolg.
Entscheidung
Der BFH war anderer Ansicht und gab der Revision des FA statt. Die Zuwendung erfülle die Voraussetzungen des § 3 Nr. 2 EStG nicht. Insbesondere sei sie weder ein Überbrückungsgeld nach § 55a AFG oder stocke ein solches Überbrückungsgeld auf, noch sei sie dem Kläger als Arbeitnehmer oder Arbeitssuchenden gewährt worden. Eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 2 EStG komme nicht in Betracht.
Hinweis
1. Aus sozialpolitischen Gründen stellt § 3 Nr. 2 EStG Lohnersatzleistungen nach dem früheren AFG und jetzigen SGB III steuerfrei, insbesondere Arbeitslosengeld und -hilfe sowie Konkursausfallgeld. Den befreiten Leistungen war früher gemeinsam, dass sie nur Arbeitnehmern gewährt wurden. Insofern war es ein Systembruch, dass seit 1987 auch das sog. Überbrückungsgeld (jetzt § 57 SGB III) steuerfrei gestellt wurde, das den Schritt in die Selbstständigkeit zur Beendigung oder Vermeidung von Arbeitslosigkeit erleichtern soll.
Denselben Effekt hatten Förderprogramme der neuen Bundesländer, die hierzu auch Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) verwenden konnten. Weil derartige Zuschüsse aber in § 3 Nr. 2 EStG nicht genannt waren, hatte der BFH schon im Urteil vom 9.10.1996, XI R 35/96, BStBl II 1997, 125, eine Steuerbefreiung dafür abgelehnt.
2. Dass nun erneut eine Entscheidung des BFH erforderlich war, lag daran, dass der Gesetzgeber im Anschluss an das genannte Urteil mit Wirkung ab 1998 ausdrücklich die Steuerbefreiung für solche Zuschüsse angeordnet hat, die zur Aufstockung des Überbrückungsgelds aus dem mit Landesmitteln ergänzten ESF gezahlt werden. Begründet wurde dies damit, dass die Aufstockung einer steuerfreien Leistung ebenfalls eine Steuerbefreiung verdient habe (BTDrucks. 13/4839, 77).
Im Besprechungsfall fand die Neuregelung allerdings keine unmittelbare Anwendung, weil der Kläger Landes- und ESF-Mittel als Existenzgründungsbeihilfe nicht zur Aufstockung eines Überbrückungsgelds, sondern isoliert erhalten hatte. Weder der Kläger noch das FG wollten einsehen, dass die isolierte Zahlung steuerpflichtig sein soll, wenn die Aufstockung steuerfrei ist.
Den Grund dafür nennt der BFH: weil der Gesetzgeber es nicht angeordnet hat und weil er dazu auch nach dem Grundgesetz nicht verpflichtet war. Der Gesetzgeber hatte die Steuerfreiheit nur als Annex zur ohnehin bereits bestehenden Steuerfreiheit des Überbrückungsgelds für notwendig gehalten. Dies ist eine sachgerechte Unterscheidung von isolierten Beihilfen, auf die sich der Gesetzgeber stützen konnte. Eine unzulässige Ungleichbehandlung des Existenzgründers liegt darin auch deshalb nicht, weil er am Markt in Wettbewerb mit anderen Unternehmern tritt, die ihre Einnahmen bei gleicher Leistungsfähigkeit versteuern müssen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.6.2002, IV R 39/01