Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Überlässt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Fahrer, führt das dem Grunde nach zu einem lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil. Der Vorteil bemisst sich grundsätzlich nach dem üblichen Endpreis am Abgabeort einer vergleichbaren von fremden Dritten erbrachten Leistung (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 und 3, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der nicht selbstständig tätigte K hatte einen Dienstwagen mit Fahrer auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Das FA beurteilte mit den Feststellungen der LSt-Außenprüfung das Fahrtenbuch zwar als mangelhaft, entnahm daraus aber, dass K an vielen Tagen direkte Fahrten zwischen seinem Wohnort in A und seiner Tätigkeitsstätte in B durchgeführt habe, und erhöhte dementsprechend die Lohneinkünfte. Es setzte die 0,03 %-Zuschlagsregelung sowie die Vorteile aus der Fahrergestellung entsprechend R 31 Abs. 10 Nr. 2a LStR (50 % Zuschlag) an, nahm zwei regelmäßige Arbeitsstätten (in C, 6 km Entfernung, und in B, 34 km Entfernung) an und legte eine Durchschnittsentfernung von 20 km zugrunde. K wandte ein, dass die Fahrten zur Erfüllung der Dienstpflichten durchgeführt worden seien. Er habe auch nur ein Fahrzeug aus dem Fuhrpark zur Verfügung gehabt, mit dem auch andere Dienstgeschäfte erfüllt worden seien. Die Klage blieb erfolglos (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.4.2011, 4 K 1690/05, Haufe-Index 2829955, EFG 2012, 239).
Entscheidung
Die Sache wurde zur Nachholung der notwendigen Feststellungen (regelmäßige Arbeitsstätte; Wert der Fahrerüberlassung) an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
Lohnsteuerrechtlich ist von einem erheblichen Vorteil auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein Chauffeur überlassen wird. Eine pauschale Bewertung dieses Vorteils mit lediglich 0,5 % des Bruttolistenneupreises des Dienstwagens scheidet insoweit (natürlich!) aus.
1. Zur (hier auch einschlägigen) regelmäßigen Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sei auf die neueste Rspr. verwiesen (z.B. BFH, Urteil vom 28.3.2012, VI R 48/11, BFH/NV 2012, 1234, BFH/PR 2012, 264; BFH vom 9.6.2011, VI R 55/10, BFH/NV 2011, 1764, BFH/PR 2011, 411). Der in mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers tätige Arbeitnehmer hat nicht mehrere regelmäßige Arbeitsstätten. Sucht er eine Tätigkeitsstätte im zeitlichen Abstand immer wieder auf, begründet dies auch keine regelmäßige Arbeitsstätte. Einer regelmäßigen Arbeitsstätte muss vielmehr eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten zukommen. Angesichts dessen sind dazu im 2. Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen: Hatte K überhaupt eine regelmäßige Arbeitsstätte inne? Hatte eine der Tätigkeitsstätten eine hinreichend zentrale Bedeutung? Ob und welcher betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers war K zugeordnet? Welche Tätigkeiten hatte K an den verschiedenen Arbeitsstätten wahrzunehmen und welches Gewicht kam diesen Tätigkeiten jeweils zu? Bei der 0,03 %-Zuschlagsregelung ist insoweit zu beachten, dass sie nur für die tatsächlich durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Anwendung kommt, sie aber gänzlich ausscheidet, soweit Dienstreisen unmittelbar von der Wohnung aus angetreten werden.
2. Eine Chauffeurüberlassung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte führt zu Lohn. Die daran vom VI. Senat als obiter dictum geäußerten Zweifel (BFH, Urteil vom 22.9.2010, VI R 54/09, BFH/NV 2011, 345; BFH/PR 2011, 80) haben sich zerstreut. Lohn liegt vor, weil der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer für eine Aufgabe, die Angelegenheit des Arbeitnehmers ist, eine Dienstleistung (Personalüberlassung) zur Verfügung stellt; diese hat einen Wert. Sie betrifft auch weder den unmittelbaren betrieblichen Bereich des Arbeitgebers, den er mit Arbeitsmitteln und Personal auszustatten hat, um den eigentlichen Arbeitsprozess zu fördern, noch ist die Leistung eine bloße nicht einkommensteuerbare Aufmerksamkeit (vgl. § 3 Nr. 32 EStG). Schließlich kommt es auch zu keiner Saldierung von Vorteil und Aufwand, denn durch die Entfernungspauschale i.S.d. § 9 Abs. 2 EStG werden sämtliche Aufwendungen abgegolten. Der Wert bestimmt sich nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Er ist also zu schätzen. Relevanter Maßstab ist der Wert einer vergleichbaren Dienstleistung und nicht der Listenpreis des Fahrzeugs.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.5.2013 – VI R 44/11