Fahrten Wohnung/Betriebsstätte - wenn Unternehmer Pkw nicht privat nutzt
Inwieweit die Grundsätze für die Überlassung eines Firmenwagens an Arbeitnehmer ohne Privatnutzung auf den Unternehmer übertragbar sind
Wird ein Firmenwagen nachweislich nur für betriebliche Fahrten verwendet, darf keine Privatnutzung unterstellt werden. Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte bzw. erster Betriebsstätte sind betriebliche Fahrten. Allerdings sind diese Fahrtkosten nur eingeschränkt in Höhe der Entfernungspauschale abziehbar:
- Die Kosten, die auf Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte entfallen, sind beim Arbeitnehmer in voller Höhe (ohne Saldierung mit der Entfernungspauschale) als Arbeitslohn zu erfassen.
- Die Kosten abzüglich Entfernungspauschale erhöhen beim Unternehmer den Gewinn.
Der BFH hat entschieden, wie bei Arbeitnehmern die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte angesetzt werden können, wenn keine Privatfahrten stattfinden. Nunmehr stellt sich die Frage, ob diese Grundsätze auch auf den Unternehmer anwendbar sind.
1. Beurteilung bei einer Überlassung an Arbeitnehmer
Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Firmenwagen, den er auch unentgeltlich für private Fahrten nutzen kann, entsteht ein geldwerter Vorteil, der beim Arbeitnehmer zu einem Lohnzufluss gemäß § 19 Abs. 1 EStG führt. Der Vorteil ist nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder
· mit der Fahrtenbuchmethode oder
· mit der 1%-Regelung zu bewerten.
§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG und § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG sind Bewertungsvorschriften und begründen daher keinen steuerbaren Tatbestand. Das heißt, zunächst muss der Unternehmer seinem Arbeitnehmer einen Vorteil zuwenden. Ist das der Fall, muss entschieden werden, wie der Vorteil zu bewerten ist.
Konsequenz: Die Anwendung der 1%-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer auch tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat. Denn der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertigt sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen. Die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen Pkw hat dagegen keinen Lohncharakter (BFH-Urteil v. 21.4.2010, VI R 46/08). Ein Vorteil, den sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers selbst verschafft, wird nicht "für" eine Beschäftigung gewährt und zählt damit nicht zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs.1 EStG.
Fazit: Die Anwendung der 1%-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat Denn der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertigt sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen. Allein die Gestattung der Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte begründet noch keine Überlassung zur privaten Nutzung im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG.
Praxis-Beispiel: Überlassung von Vorführwagen für berufliche Fahrten an Arbeitnehmer
Ein Autohändler hielt zu Betriebszwecken verschiedene Vorführwagen vor. Der Arbeitgeber erlaubte seinem Arbeitnehmer einen dieser Vorführfahrzeuge für berufliche Fahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitstätte zu nutzen.
Allein die Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte begründet noch keine Überlassung zur privaten Nutzung im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Gesetzgeber hat diese Fahrten in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG vielmehr der Erwerbssphäre zugeordnet.
Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist zwar typischerweise davon auszugehen, dass ein dem Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen von ihm tatsächlich auch privat genutzt wird. Weiter reicht dieser allgemeine Erfahrungssatz aber nicht. Es kann nicht unterstellt werden, dass Arbeitnehmer Verbote missachten und damit einen Kündigungsgrund schaffen oder sich - unter Umständen - gar einer Strafverfolgung aussetzen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwacht.
Die 0,03%-Regelung (§ 8 Abs. 2 EStG und § 6 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 EStG) für die Nutzung eines Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb begründet keinen Steuertatbestand. Laut BFH handelt es sich vielmehr um eine Bewertungsvorschrift, sodass bei Arbeitnehmern der pauschale 0,03%-Wert angesetzt werden kann. Das gilt laut BFH auch dann, wenn mangels Privatnutzung die 1%-Regelung nicht angewendet werden kann.
2. Fahrzeug eines Unternehmers, das nicht für Privatfahrten genutzt wird
Die Regelungen, die für Arbeitnehmer gelten, müssen entsprechend auch für selbstständig tätige Personen gelten. Allerdings ist bei Personenunternehmen nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Unternehmer den Firmenwagen auch für private Fahrten nutzt. Den Nachweis, dass keine Privatfahrten unternommen werden, kann der Unternehmer durch ein Fahrtenbuch führen. Das Fahrtenbuch dient dann nur als Nachweis dafür, dass mit dem Firmenwagen keine Privatfahren unternommen wurden.
Ohne Privatfahrten kann auch keine private Nutzungsentnahme unterstellt werden. Die Anwendung der Fahrtenbuchmethode oder der 1%-Regelung scheidet somit mangels einer privaten Nutzung von vornherein aus. Allein die Nutzung eines Firmenwagens für Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebsstätte begründet keine Privatnutzung, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG bewertet werden müsste.
Wurde das Fahrtenbuch geführt um eine 100%ige betrieblichen Nutzung nachzuweisen, bedeutet dies nicht, dass die private Nutzung nach der Fahrtenbuchmethode ermittelt wurde. Liegt keine Privatnutzung vor, kann auch keine angesetzt werden, sodass weder die Fahrtenbuchmethode noch die 1%-Regelung zum Tragen kommen kann. Entsprechend dem BFH-Urteil v. 21.4.2010 (VI R 46/08) muss es dann (ebenso wie bei Arbeitnehmern) möglich sein, für Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebsstätte den pauschalen 0,03%-Wert anzusetzen.
Das bedeutet dann Folgendes:
- Privatfahrten sind nicht zu erfassen, wenn nachweislich keine stattgefunden haben (Nachweis z. B. durch ein Fahrtenbuch).
- Bei den Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebsstätte kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Kosten entweder
- anhand der tatsächlichen Kosten (gemäß Fahrtenbuch)
- oder mithilfe der pauschalen 0,03% Methode ermitteln.
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Praxis-Beispiel: Selbstständige Nutzung Firmen-Pkw ausschließlich zu betrieblichen Zwecken
Ein Physiotherapeut ermittelt seinen Gewinn mit einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Er führt ein Fahrtenbuch, mit dem er nachweist, dass er den betrieblichen Pkw ausschließlich für betriebliche Fahrten (Patientenbesuche) und für die Fahrten von der Wohnung zur Praxis und zurück genutzt hat. Die Privatfahrten unternimmt er mit seinem privaten Pkw.
Im Dezember hat der Physiotherapeut einen neuen Firmenwagen geleast (Bruttolistenpreis 30.000 EUR). Als Einnahmen-Überschuss-Rechner zieht er im Dezember die Leasing-Sonderzahlung von 9.000 EUR als Betriebsausgaben ab. Die Entfernung zwischen Wohnung und Praxis beträgt 20 km, die er im Dezember an 12 Tagen zurückgelegt hat (insgesamt 480 km = 46,15%). Auf die Fahrten für Patientenbesuche entfallen 560 km (= 53,85%). Ohne Berücksichtigung weiterer Kosten sieht der Unterschied zwischen Abrechnung nach dem Fahrtenbuch und der pauschalen 0,03%-Regelung wie folgt aus:
Fahrtenbuch | Pauschal mit 0,03% | |
Kosten, die auf Fahrten zum Betrieb entfallen:
| 4.153,50 EUR | 180,00 EUR |
abziehbare Entfernungspauschale 0,30 EUR x 20 km x 12 Tage = | 72,00 EUR | 72,00 EUR |
nicht abziehbare Betriebsausgaben | 4.081,50 EUR | 108,00 EUR |
Konsequenz: Die Anwendung der pauschalen 0,03%-Regelung führt in dieser Situation dazu, dass der Physiotherapeut per Saldo (4.081,50 EUR - 108,00 EUR =) 3.973,50 EUR mehr als Betriebsausgaben abziehen kann.
Hinweis: Derzeit gibt es zu der Situation, in der ein Unternehmer den Firmenwagen nicht für Privatfahrten, wohl aber für Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebsstätte nutzt, keine Verwaltungsanweisungen und keine Rechtsprechung. Es ist daher nur möglich, gegenüber dem Finanzamt entsprechend den vorherigen Ausführungen zu argumentieren. Wenn sich das Finanzamt querstellt, ist es nur möglich im Klageverfahren dagegen vorzugehen.
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