Prof. Dr. Helmut Wannenwetsch
Der Sicherheitsbestand, auch eiserner Bestand, Mindestbestand oder Reservebestand genannt, stellt einen Puffer dar, um die Leistungsbereitschaft des Unternehmens zu sichern. Er wird bei Versorgungsengpässen, erhöhtem Verbrauch oder ungeplanten Kundenbedarfen angegriffen.
Der Sicherheitsbestand basiert auf dem Durchschnittsverbrauch an Materialien innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Der Sicherheitsbestand kann von folgenden Faktoren abhängig sein:
- Trendprodukte (Inline-Skater), Saisonprodukte (Ski, Erntemaschinen)
- Berechenbarkeit des Bedarfs (Pkw, Waschmaschinen, Ersatzteile, Energie)
- Lieferzeit, Lieferengpässe, strategische Produkte (Metalle)
- A-Teile (hohe Kapitalbindung – geringer Sicherheitsbestand)
- C-Teile (geringe Kapitalbindung – hoher Sicherheitsbestand)
- Wiederbeschaffungszeit (WBZ), geringe WBZ = geringer Sicherheitsbestand
- Ausschuss, Schwund
Der Schwund von Waren sollte auf jeden Fall unter 1 % des Umsatzes liegen, besser wäre ein Wert von unter 0,1 %. Vor allem im Handel mit Umsatzrenditen von 1-3 % schmälern Schwund und Verderb erheblich den Gewinn. In Europa werden pro Jahr Waren im Wert von ca. 30 Mrd. EUR gestohlen. Diebstahlsrenner sind Textilien, Elektro-, Kosmetik- und Drogerieartikel.
Der Sicherheitsbestand kann 5-10 % des durchschnittlichen Lagerbestands betragen. Bei kurzen Lieferzeiten (Just-in-Time, Just-in-Sequence) kann er aber auch nur dem Verbrauch von 1-2 Tagen oder 4-8 Stunden entsprechen (z. B. bei der Sitzfertigung für Pkw). Durch die Verteuerung wichtiger Rohstoffen und Metalle innerhalb eines Jahres um 100 % und darüber sowie durch die hohe Nachfrage aus China kam und kommt es oft zu Lieferengpässen. Dies führte bei vielen Unternehmen zur Erhöhung der Sicherheitsbestände, um die Versorgung zu gewährleisten.
Ermittlung des Sicherheitsbestands
Die Ermittlung des Sicherheitsbestandes (SB) erfolgt mit Hilfe grober Näherungsrechnungen und lässt sich wie folgt errechnen (s. Tab. 7):
SB |
= |
∅ Verbrauch pro Periode × WBZ |
SB |
= |
5–20 % des ∅ Lagerbestand (je nach Bedeutung des Artikels) |
Tab. 7: Ermittlung des Sicherheitsbestands (SB)
Fallbeispiel zur Errechnung des Sicherheitsbestands:
VM = Verbrauch pro Monat: 60 % der Bestände
Wiederbeschaffungszeit für VM: 0,5 Monate
Monat |
Lagerendbestand pro Monat |
VM (60 % der Lagerbestände) |
Sicherheitsbestand (VM × WBZ) |
Januar |
600 |
360 |
180 |
Februar |
630 |
378 |
189 |
März |
600 |
360 |
180 |
April |
540 |
324 |
162 |
Mai |
590 |
354 |
177 |
Gesamtverbrauch |
|
1.776 |
|
|
∅ 592 |
∅ 355,2 |
∅ 177,6 |
Tab. 8: Beispielrechnung für den Sicherheitsbestand
- Gesamtverbrauch der 5 Monate: 1.776 Stk.
- ∅ Verbrauch pro Monat: 1.776 Stk./5 Mon. = 355,2 Stk./Mon.
- ∅ Sicherheitsbestand: 355,2 × 0,5 Mon. (WBZ) = 177,6 Stk.
- Der Sicherheitsbestand wird aufgerundet oder abgerundet (180/170 Stk.).
- Bei C-Artikel ergibt sich ein Sicherheitsbestand von: 20 % × 592 Stk. = 118,4 Stk. (runden!).