Logistikcontrolling: 12 zentrale Kennzahlen zur Steuerung in der Logistik
Ebenso wie im Einkauf ist es für viele Betriebe notwendig, sich über Veränderungen bei der Messung der Leistungsfähigkeit der Logistik zu machen. Auch die Logistik ist von der aktuellen Materialknappheit, Versorgungsengpässen und ständigen Preissteigerungen in vielen Bereichen betroffen. Daher müssen die Ausprägungen zumindest einiger Kenngrößen in Teilen neu interpretiert und mit anderen Zielen hinterlegt werden. Beispielsweise ist es in vielen Branchen derzeit eher angesagt, Lager- und Sicherheitsbestände aufzubauen um lieferfähig zu bleiben als die Lagerbestände "nach unten" zu optimieren.
Qualität der Logistik mithilfe von Kennzahlen messen
Die Logistik ist für viele Unternehmen für die Sicherstellung der Beschaffung (Wie kommen die georderten Materialien in den Betrieb), den innerbetrieblichen Transport (Wie kommen die benötigten Materialien in die Produktion und die fertigen Waren in den Verkauf), aber auch der Auslieferung von Waren an Kunden unverzichtbar. Die Logistik muss dabei auch eine hohe Flexibilität aufweisen und stets an sich ändernde Bedingungen anpassbar sein, z.B. an Kundenwünsche oder an Produktionsänderungen. Die Qualität der Leistungserbringung der Logistik lässt sich gut mit Kennzahlen bewerten. Um einen Kennzahlenfriedhof zu vermeiden, sollte man sich 5-10 Kennzahlen auswählen, mit denen man im Betrieb tatsächlich arbeitet. Hinzu können ggf. 5-10 Kennzahlen aus dem Einkauf kommen. Eine überschneidungsfreie Abgrenzung beider Bereiche ist oft nicht möglich. Daher sollte individuell entschieden werden, ob eine Kennzahl eher der Logistik oder dem Einkauf zugeordnet wird.
Kennzahlenauswahl in der Logistik
Die Tabelle zeigt eine Auswahl möglicher Kennzahlen für die Logistik mit Formelvorschlägen und erläutert Hintergründe und Aussagekraft.
Kennzahl | Formelvorschlag | Erläuterungen / Aussage |
Lead-Time von Bestellungen | Datum Bestelleingang – Lieferdatum | Zeigt die Zeit an, die zwischen dem Zeitpunkt, an dem der Einkauf eine Bestellung beim Lieferanten anfordert und dem Zeitpunkt des Eingangs im Lager oder der Fertigung (z.B. bei Just-in-Time) an. Je kürzer, desto günstiger. Dennoch sollte in Zeiten knapper Materialien mit einem Sicherheitsaufschlag gearbeitet werden. Beträgt der Zeitraum z.B. 5 Tage, sollte man eine Bestellung dennoch 8-10 Tage vorher anstoßen, bevor man einen Artikel benötigt, um eine evtl. Verzögerung überbrücken zu können. Der Aufschlag ist nur als Orientierung zu verstehen und sollte ggf. angepasst werden, wenn es in der Vergangenheit bereits Probleme gegeben hat oder diese absehbar sind. |
Lagerkosten | Lagerkosten (z.B. Kostenstelle(n) Lager) * 100 / Gesamtkosten | Zeigt, wie hoch der Kostenanteil der Lagerkosten an den Gesamtkosten ist. Es sollten möglichst alle Lagerstellen, z.B. für Einkauf, Produktion und Verkauf, einbezogen werden. Sollte sich im Zeitverlauf stabil bzw. fallend entwickeln. Statt der Lagerkosten oder zusätzlich können auch die Logistik- oder die Transportkosten gesamt gewählt werden. Die Kennzahl kann auch mit dem Umsatz im Nenner gebildet werden. Dann sollten die Kosten sich günstiger entwickeln als der Umsatz. |
Lagerungskosten pro Position | Lagerungskosten / Anzahl gelagerter Positionen | Zeigt, wie hoch die Lagerungskosten, z.B. der Lagerkostenstellen im Verhältnis zur Anzahl der eingelagerten Positionen ist. Mit der Kennzahl kann u.a. ermittelt werden, ob es günstiger ist, ein Lager selbst zu betreiben oder Waren extern lagern zu lassen. |
Kapitalbindungskosten | Durchschnittlicher Materialbestand / Verweildauer in Tagen * Zinssatz | In normalen Zeiten ist die Reduzierung der Kapitalbindung ein wichtiges Ziel für Unternehmen. In Zeiten von Materialknappheit und Preissteigerungen sollte das Ziel „nach hinten rücken“. Ganz außer Acht lassen darf man es dennoch nicht; es muss gelingen, einen ausgewogenen Kompromiss zwischen Kapitalbindung und Lieferfähigkeit zu finden, wobei aktuell die Lieferfähigkeit höher priorisiert werden sollte. Beim Zinssatz kann man einen intern festgelegten Wert oder den durchschnittlich zu zahlenden Zins an die Banken wählen. |
Lagerumschlag | Wareneinsatz / durchschnittlicher Lagebestand | Die Kennzahl zeigt, wie häufig die Bestände innerhalb eines bestimmten Zeitraums, z.B. Monat oder Jahr, erneuert werden. Je höher der Lagerumschlag, desto besser. Es gibt aber große branchenspezifische Unterschiede. In Zeiten von Materialknappheit sollte der Lagerbestand aber tendenziell höher ausfallen, ebenso wie die Sicherheitsbestände. Das führt auch dazu, dass sich der Lagerumschlag verschlechtert. |
Out-of-Stock-Quote | Fehlartikel * 100 / Gesamtzahl Artikel | Die Kennzahl zeigt, wie oft man im Unternehmen nicht in der Lage ist, bestehende Nachfrage zu bedienen, z.B. weil eine Ware nicht auf Lager war oder es zu Verzögerungen im Beschaffungs- oder Produktionsprozess gekommen ist. Die Kennzahlenausprägung sollte möglichst nahe 100% liegen. |
Bestandsschwund | (Theoretischer Bestand – Istbestand) / Theoretischer Bestand | Indikator für Lagerschwund; sollte so niedrig wie möglich sein oder im Zeitverlauf sinken. Ggf. lohnt sich eine weitergehende Analyse nach Schwundursachen wie Diebstahl, Verderb oder Überalterung. So lassen sich leichter Ursachen erkennen und Maßnahmen einleiten. |
Lagerauslastungsgrad | Lagerauslastung * 100 / maximal mögliche Auslastung | Die Kennzahl kann zur Analyse der Lagereffizienz genutzt werden. Eine über einen längeren Zeitraum (zu) geringe Auslastung deutet auf Überkapazitäten im Lagerbereich hin, und damit auf zu hohe Betriebs- und ggf. Kapitalbindungskosten. Die Auslastung darf auch nicht zu hoch ausfallen, damit die Flexibilität des Lagers bezüglich nicht eingeplanter Beschaffungen oder Zwischenlagerungen von Fertigprodukten zu erhalten. Faustregel: die Lagerauslastung sollte etwa zwischen 70 und 85% liegen. Je nach Organisation kann es sinnvoll sein, die Kennzahl für das Beschaffungs- und das Fertigungslager separat zu erstellen. |
Fuhrparkrate | Anteil Fuhren mit eigenen Fahrzeugen * 100/ Gesamtzahl Fuhren | Zeigt, ob und in welchem Umfang eigene Fahrzeuge (alternativ: Anteil Fuhren mit Spediteuren, mit denen es langlaufende Verträge gibt) genutzt werden. In normalen Zeiten haben viele Unternehmen versucht, bei Bedarf kurzfristig preiswerte Frachtkapazitäten zu kaufen. In Zeiten mit hoher Auslastung von Spediteuren, knappen Frachtraten und steigenden Preisen eine zumindest schwierige Strategie. Es sollte versucht werden, den Anteil von Fuhren mit eigenen Fahrzeugen oder festen Speditionspartnern deutlich zu erhöhen. Faustregel: >80-85%. |
Melde- oder Bestellbestand | Verbrauch pro Tag – Lieferzeit + Sicherheitsbestand | Berechnung des Zeitpunkts, an dem eine Ware oder Material spätestens bestellt werden muss, um den Produktions- oder Verkaufsprozess nicht zu gefährden. Der Bestellbestand wird durch die Materialknappheit und Versorgungsengpässe in weiten Teilen zwar steigen und es ist oft kaum möglich, gegenzusteuern. Dennoch ist die Kennzahl wichtig, um Veränderungen erkennen und das Bestellverhalten ggf. wieder anpassen zu können. Hinweise: Bei der Lieferzeit sollte eher die längste bisher benötigte Zeit zzgl. eines Aufschlags von rund 10% statt einem Durchschnittswert genommen werden. Gleiches gilt für den Sicherheitsbestand, der ebenfalls um etwa 10% erhöht werden sollte. Der Sicherheitsbestand ist der Lagerbestand an Materialien, der nicht Unterschritten werden darf, soll die Produktion bei Problemen, wie Schwund, Verderb, Verbrauchsschwankungen oder eben schwer planbarer Lieferungen oder Versorgungslücken, nicht gefährdet werden. Der Sicherheitsabstand kann z.B. mit folgender Formel näherungsweise ermittelt werden: 1/3 des Verbrauchs während der Wiederbeschaffungszeit. Er wird in der Praxis meist als feste Größe je Artikel festgelegt, sollte aber regelmäßig auf Gültigkeit überprüft werden. Die Kennzahl sollte für alle A-Artikel sowie strategisch wichtigen Artikel gebildet werden. |
Gängigkeitsstruktur der Bestände | Anzahl Artikel ohne Bewegung * 100 / Gesamtzahl Artikel | Die Kennzahl zeigt, wie viele Artikel, Materialien oder Teile in einem bestimmten Zeitraum nicht bewegt, also nicht genutzt oder verkauft worden sind (Ladenhüter). Es sollte nach den Ursachen gesehen und Artikel usw. ggf. verkauft oder ausgelistet werden, um Lagerplatz zu sparen und die Kapitalkosten zu senken. Nur in Einzelfällen kann es Sinn machen, nicht bewegte Teile weiter zu halten, etwa, wenn die Wiederbeschaffungszeit extrem lang oder schwankend ist oder die Kosten für eine evtl. später nötige Nachbeschaffung den aktuellen Wert übersteigt. |
Eigene Liefertermintreue | Anteil pünktlich an Kunden gelieferte Waren * 100 / Gesamtzahl Lieferungen | Ein extrem wichtiger Indikator, der möglichst nahe bei 100% liegen sollte, um die Kundenzufriedenheit zu verbessern oder zu erhalten. Eine hohe Quote ist auch abhängig davon, in welchem Umfang es gelingt, die eigene Versorgung und Produktion sicherzustellen. Die Kennzahl kann gut mit den Kennziffern Liefertermintreue Lieferanten und Versorgungssicherheit aus dem Einkauf kombiniert werden. |
Branchenvergleiche vornehmen
Wie in anderen Bereichen auch, sollte man nicht nur auf die eigene Kennzahlenausprägung sehen, sondern versuchen, sich mit der Branche oder sogar direkten Wettbewerbern zu vergleichen. Daten können z.B. von Branchenverbänden, Auskunfteien wie Creditreform, Bürgel oder Hoppenstedt oder dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. kommen.
Fazit und Ausblick
Kennzahlen werden auch in der Logistik für die Leistungsbeurteilung und Steuerung benötigt. Die vorgestellte Auswahl orientiert sich an in der Praxis häufig genutzten Kenngrößen, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder absolute Richtigkeit. Es kommen je nach gewünschtem Analyseschwerpunkt auch andere Kennzahlen in Betracht, etwa Ladequoten für Fahrzeuge, Leerkilometer oder Kennzahlen zu Recycling oder Entsorgung. Bei den Formeln handelt es sich um Vorschläge, die ggf. geprüft oder angepasst werden müssen. Eine Überschneidung mit Kenngrößen im Einkauf ist je nach Organisation und Definition der Bereiche möglich.
Auch in der Logistik gilt: Lieber mit 5-10 Kennzahlen regelmäßig arbeiten, statt einen Kennzahlenfriedhof mit dutzenden Kenngrößen zu erstellen, die kaum jemand nutzt.
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