Einkaufscontrolling: 15 zentrale Kennzahlen zur Steuerung in Beschaffung und Einkauf
Genau wie in anderen Unternehmensbereichen, gibt es auch im Einkauf eine schier unbegrenzte Fülle möglicher Kenngrößen. Um einen (Kennzahlen-)Zahlenfriedhof zu vermeiden, sollte man im Einkauf lediglich mit 5-10 Kennziffern arbeiten, die die Leistung in der Beschaffung bzw. der Beschaffung für den Betrieb möglichst realistisch wiederspiegeln. Hinzu kommen ggf. 5-10 Kennzahlen aus dem Bereich der Logistik, wobei eine überschneidungsfreie Abgrenzung beider Bereiche nicht immer möglich ist. Es muss ggf. im Einzelfall entschieden werden, ob eine Kennzahl dem "klassischen" Einkauf oder der Logistik zugeordnet werden soll.
Veränderungen in den Kennzahlenausprägungen
Bei der Kennzahlennutzung sollte immer auch darauf geachtet werden, wie sich die Kenngrößen zusammensetzen und was zu Veränderungen führen kann. Abhängig davon, wo die Ursachen liegen, sind ggf. andere Maßnahmen erforderlich. Beispielsweise kann das Einkaufsvolumen zum Umsatz durch eine Veränderung von Mengen und Preisen verursacht werden. Verändern sich die Mengen im Verhältnis zum Umsatz oder den Absatzmengen, kann das z.B. auf Probleme in der Produktion hindeuten. Verändern sich die Beschaffungspreise, liegen die Ursachen z.B. in der aktuellen Marktentwicklung oder auch in nicht ambitioniert genug geführten Gesprächen mit Lieferanten. Um Gegenzusteuern sind unterschiedliche Maßnahmen nötig und es müssen oft auch andere Abteilungen als der Einkauf einbezogen werden, etwa die Produktion oder auch die Buchhaltung.
Kennzahlenauswahl im Einkauf
Die Tabelle zeigt eine Auswahl möglicher Kennzahlen mit Formelvorschlägen und erläutert Hintergründe und Aussagekraft.
Kennzahl | Formelvorschlag (kann bei Bedarf angepasst werden) | Erläuterungen / Aussage |
Einkaufsvolumen | Einkaufsvolumen * 100 / Umsatz | Grundsätzlich sollte das Einkaufsvolumen im Verhältnis zum Umsatz konstant bleiben oder über mehrere Jahre sogar sinken. Steigt das Einkaufsvolumen über einen längeren Zeitraum schneller als der Umsatz, ist das oft ein Gefahrensignal. Wird nichts unternommen, sinken Rohertrag und Gewinn. Auch die Liquidität wird belastet. In der aktuellen Situation mit regelmäßigen Preissteigerungen sollte überlegt werden, die Kennzahl zweizuteilen: Einmal mit einer Mengenkomponente (z.B. Einkaufmenge * 100 / Absatzmenge) und einer Volumenkomponente (Einkaufsvolumen in Euro * 100 / Umsatz). So lässt sich besser erkennen, wodurch Veränderungen verursacht werden. Bleibt z.B. die Mengenkomponente stabil, funktioniert der Produktionsprozess i.d.R. gut und man hat "nur" ein Kostenproblem. Hier gilt es u.a. nach Möglichkeiten zu suchen, diese an den Kunden weiterzugeben. |
Vom Einkauf verantwortetes Volumen | Bestellvolumen durch Einkauf * 100 / Einkaufsvolumen | Je mehr Bestellvolumen durch den Einkauf abgewickelt werden, desto besser. Faustregel: möglichst deutlich über 95%. Mit der Bündelung von Volumen ist es auch heute noch möglich, zumindest stabiler bleibende Beschaffungspreise zu erhalten, da man mehr Volumen ordert. Je kleiner das Volumen, desto unattraktiver ist man für einen Anbieter in der Regel. Zum anderen werden andere Mitarbeiter entlastet und können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Es sollten Ausnahmen definiert werden, in denen "freihändige" Käufe ohne die Beschaffung möglich sind. Beispielsweise macht es in einem Handwerksbetrieb selten Sinn, wenn ein Monteur vor Ort ein Teil benötigt, und sich an den Einkauf wenden muss, wenn er es direkt im Baumarkt erwerben und so seine Arbeit unmittelbar fortsetzen kann. Ggf. muss geprüft werden, wie es möglich ist, z.B. Monteure besser bzw. vollständig mit nötigem Material und Werkzeugen auszustatten. |
Liefertermintreue Lieferanten | Anzahl pünktlicher Lieferungen * 100 / Gesamtzahl Lieferungen | Ein wichtiger Indikator für die Zuverlässigkeit von Lieferanten: Halten diese zugesagte Termine ein? Gibt es (nachvollziehbare) Gründe, wenn es zu verspäteten Lieferungen kommt? Sind die Gründe nicht nachvollziehbar? Kommt es in der Folge zu Verspätungen im eigenen Unternehmen? |
Reklamationsquote Lieferungen | Anzahl reklamierte Lieferungen* 100 / Gesamtzahl Lieferungen | Ein wichtiger Indikator für die Qualität gelieferter Produkte oder Waren: Welche Anbieter liefern (weitgehend) fehlerfrei? Welche haben größere Probleme mit ihren Produkten? Wo gibt es ggf. andere Reklamationen, z.B. wegen Lieferterminen oder Verstößen gegen vertragliche Vereinbarungen, etwa, weil bereits zugesagte Lieferungen an Dritte versendet werden, die kurzfristig einen höheren Preis bieten? |
Preissteigerungsrate | Anteil von Beschaffungsgütern mit Preissteigerungen * 100 / Gesamtzahl Beschaffungsgüter | Mit der Kennzahl kann geprüft werden, ob es Preissteigerungen auf breiter Front gibt oder ob sich die Preissteigerungen auf einzelne Segmente beschränken. Steigen die Preise wie im Moment in fast allen Bereichen, ist es oft sinnvoll, die Lager- und Sicherheitsbestände aufzustocken. |
Versorgungssicherheit / Lieferfähigkeit | Anteil fristgerechter Lieferungen an die Produktion * 100 / Gesamtzahl Lieferungen | Speziell in der aktuellen Lage eine wichtige Kenngröße. Zeigt, ob und in welchem Umfang der Einkauf in der Lage ist, die Produktion mit den nötigen Teilen zu beliefern. Kommt es zu Stockungen in der Produktion, können auch Kunden nicht oder nur teilweise bedient werden; es kann zu Absprüngen kommen. Bei niedrigen oder sinkenden Werten (Faustregel: ab < 98-97%) muss den Ursachen nachgegangen werden: Handelt es sich um Probleme, die durch den Einkauf verursacht werden? Ist die Produktionsplanung von hoher Qualität? Kommt es durch den Vertrieb zu Schwierigkeiten, etwa, wenn dessen Planungen zu ungenau sind? |
Zahlungszieleinhaltung | Zahlungen unter Einhaltung von Zahlungszielen (inkl. Skonto) * 100 / Gesamtzahl Zahlungsvorgänge | Kennzahl gewinnt in Zeiten, in denen Lieferanten mehr Macht gewinnen, höhere Bedeutung. Die konsequente Einhaltung von Zahlungszielen dient u.a. der Lieferantenpflege, ist aber auch ein Indikator für die Qualität von Buchhaltung und Einkauf. |
Einkaufskosten | Anteil Kosten, die durch den Einkauf verursacht werden (z.B. Kostenstelle Einkauf) * 100 / Gesamtkosten | Hinweis auf die Effizienz des Einkaufs und dessen Prozesse sowie ggf. Automatisierungsgrad. Der Wert sollte mindestens stabil bleiben bzw. über einen längeren Zeitraum möglichst sinken. |
Kosten je Bestellvorgang | Einkaufskosten (z.B. Kosten der Kostenstellen Einkauf) / Anzahl Bestellungen | Indikator für die Effizienz des Einkaufs. Je geringer die Kosten je Vorgang, desto besser. Sinken sie über einen längeren Zeitraum, deutet das auf gute Prozesse und Organisation im Einkauf hin. Bestellkosten liegen oft über 100 Euro je Vorgang. Daher sollten auch Bestellungen mit geringem Wert vermieden oder in der Anzahl möglichst reduziert werden. |
Rahmenvertragsquote | Einkaufsvolumen durch Rahmenverträge * 100 / Gesamt-Einkaufsvolumen | Indikator für Kosten und Stabilität im Einkauf. Bei langfristigen Verträgen sind die Kosten deutlich geringer als bei spontanen Ordern. Mit Rahmenverträgen lässt sich zum einen die Versorgung über einen längeren Zeitraum, z.B. ein Jahr besser sicherstellen. Zum anderen entlastet sie den Einkauf, da man nicht bei jeder Bestellung Vergleiche durchführen muss. Der Anteil der Einkäufe per Rahmenvertrag liegt in der Praxis oft bei 50%, sollte aber möglichst höher sein. Um die Abhängigkeit von Lieferanten nicht zu groß werden zu lassen, sollten für A-Produkte und andere wichtige Artikel möglichst mit zwei Anbietern Rahmenverträge abgeschlossen werden. |
Kleinbestellungsquote | Anzahl Kleinbestellungen * 100 / Gesamtzahl Bestellungen | Bestellungen verursachen häufig ähnlich hohe Kosten, unabhängig vom Bestellwert. Eine hohe oder steigende Zahl an Kleinbestellungen (Faustregel: <100-150 Euro) zeigt, dass der Nutzen von Großbestellungen nicht bekannt ist oder dass es organisatorische Probleme gibt, die zu einer unnötig hohen Zahl Kleinbestellungen führt, z.B. fehlende Einkaufsregeln. Hinweis: Kennzahl kann auch mit Eil- oder Notbestellungen gebildet werden. Eine hohe Anzahl Eil-/Notbestellungen kann ein Hinweis auf unzureichende Planungen oder Prozesse sein. |
Stammlieferantenquote | Einkaufsvolumen durch Stammlieferanten *100 / Gesamt-Einkaufsvolumen | Je mehr Einkaufsgüter über Stammlieferanten beschafft werden kann, desto günstiger ist es in der Regel, da man häufig Rahmenverträge abschließen oder Bestellungen bei Bedarf unkompliziert ohne größere Angebotsvergleiche oder Lieferantenbewertungen abwickeln kann. Vorhandene Einsparmöglichkeiten werden tendenziell genutzt, wenn es eine hohe Zahl an Stammlieferanten gibt. Umgekehrt zeugt ein geringer Wert davon, dass man im Unternehmen häufig auf der Suche nach geeigneten Anbietern ist und hierzu viel Arbeit investieren muss. |
Anzahl aktiver Lieferanten | Anteil Lieferanten, bei denen eingekauft wird * 100 / Gesamtzahl Lieferanten | Zeigt, wie viele Lieferantenbeziehungen derzeit genutzt werden. Indikator dafür, ob man sich von Anbietern trennen kann. Für A-Artikel sollten möglichst ein oder zwei Alternativanbieter zur Verfügung stehen. Ansonsten können Lieferanten ggf. ausgelistet werden. Ausnahme: Es handelt sich bei Kleinteilen um strategisch wichtige Teile, die für die Produktion unabdingbar sind, z.B. Sensoren oder Messgeräte. |
Anteil nachhaltiger Produkte | Anteil von Produkten, die nachhaltig hergestellt wurden (oder von als nachhaltig zertifizierten Herstellern stammen) * 100 / Gesamt-Einkaufsvolumen | Der Einsatz nachhaltig hergestellter Güter in der (eigenen) Produktion wird immer wichtiger. Betroffen sind im Kern alle Unternehmen, auch wenn sie noch nicht durch gesetzliche Regelungen dazu verpflichtet sind. Soweit sich feststellen lässt, ob Beschaffungsgüter vom Lieferanten nachhaltig hergestellt oder eingekauft wurden, etwa durch Zertifikate oder andere Dokumente, sollte dieses Volumen separat ausgewiesen werden, um dokumentieren zu können, was der eigenen Betrieb in Sachen Nachhaltigkeit bereits umsetzt. Denn sowohl große Kunden oder Lieferanten als auch Finanzierungspartner verlangen verstärkt solche Nachweise, auch unabhängig von einer gesetzlichen Regelung. |
Anzahl Bestellungen je Einkäufer | Anzahl Bestellungen / Anzahl Einkäufer | Indikator für die Leistungsfähigkeit und Organisation des Einkaufs. Je mehr Bestellungen je Einkäufer bearbeitet werden, desto besser sind die Abläufe in der Beschaffung organisiert und desto höher meist auch der Automatisierungsgrad. Die Kennzahl ist besonders aussagekräftig im Mehrjahresvergleich. |
Praxis-Tipp
Mit den vorgestellten Kennzahlen ist es möglich, die Leistungsfähigkeit eines Betriebes darzustellen. Sie sagen aber wenig darüber aus, wie gut man im Vergleich zur Branche oder wichtigen Wettbewerbern arbeitet. Daher sollten wo immer es geht, Vergleichsmöglichkeiten erschlossen werden. Datenquellen für derartige Vergleiche können Branchenkennzahlen der DATEV, Auskunfteien wie Creditreform, Bürgel oder Hoppenstedt, Angaben von Branchenverbänden oder des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. sein.
Fazit und Ausblick
Kennzahlen lassen sich auch im Einkauf gut für die Überwachung und Steuerung der Leistungsfähigkeit nutzen. Zeigen die Kennzahlenausprägungen schlechte Werte oder sinken diese, muss den Ursachen nachgegangen und Maßnahmen zur Verbesserung umgesetzt werden.
Die vorgestellte Auswahl orientiert sich an in der Praxis häufig genutzten Kennziffern, erhebt aber keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit oder Richtigkeit. Je nach Branche und Vorstellungen von Unternehmern können auch anderen Kenngrößen genutzt werden, z.B. die Weiterbildungskosten je Mitarbeiter oder Einkaufsvolumen über Internetausschreibungen. Und es sollte geprüft werden, ob und wie Nachhaltigkeitsaktivitäten auch im Einkauf abgebildet werden können. Auch die Angaben zu den Formeln sind Vorschläge, die ggf. angepasst werden müssen. Zudem kann es zu je nach Organisation und Definition zu Überschneidungen mit der Logistik kommen; hier muss jeder Betrieb ebenfalls abwägen, welchem Bereich eine Kennzahl zugeordnet werden soll.
In jedem Fall ist es wichtig, sich je fünf bis zehn Einkaufs- und Logistikkennzahlen auszuwählen, mit denen im Betrieb regelmäßig gearbeitet wird. Mehr Kenngrößen werden nur selten benötigt und führen eher zu einem Kennzahlenfriedhof. Dabei sollten auch der indirekte Bedarf sowie Nachhaltigkeitsaspekte im Einkauf mit berücksichtigt werden.
Buchtipp der Redaktion |
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