Leitsatz
Lädt ein Arbeitgeber anlässlich eines Geburtstags eines Arbeitnehmers Geschäftsfreunde, Repräsentanten des öffentlichen Lebens, Vertreter von Verbänden und Berufsorganisationen sowie Mitarbeiter zu einem Empfang ein, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob es sich um ein Fest des Arbeitgebers (betriebliche Veranstaltung) oder um ein privates Fest des Arbeitnehmers handelt.
Normenkette
§ 8 Abs. 1 EStG , § 12 Nr. 1 EStG , § 19 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Genossenschaftsbank, veranstaltete anlässlich des 60. Geburtstags eines ihrer Vorstandsmitglieder (V) einen Empfang in den Räumen der Bank, an dem 100 Gäste teilnahmen. Bei diesen (ohne die Mitwirkung des V) eingeladenen Gästen handelte es sich im Wesentlichen um Geschäftspartner der Klägerin, Angehörige des öffentlichen Lebens (Landrat, Bürgermeister verschiedener Städte, Stadt- und Samtgemeindedirektoren) und der Presse, Geschäftsstellenleiter der Klägerin, Vertreter anderer Genossenschaftsbanken, Bausparkassen und Versicherungen aus dem örtlichen Umkreis, frühere und jetzige Mitarbeiter der Bank sowie um den Aufsichtsrat der Bank. Daneben nahmen an dem Empfang auf Veranlassung der Klägerin neben V vier seiner Familienangehörigen teil.
Durch die Ausrichtung des Empfangs entstanden der Klägerin Kosten in Höhe von 6.661 DM (Getränke, Buffet, Spirituosen und Tabakwaren sowie Blumenschmuck). Das FA sah die Kosten des Empfangs als steuerpflichtigen Arbeitslohn des V an und erließ – nachdem sich die Klägerin mit ihrer Inanspruchnahme einverstanden erklärt hatte – einen Haftungsbescheid. Das FG gab der Klage ganz überwiegend statt. Lediglich die auf V und seine Familienangehörigen entfallenden Kosten in Höhe von 333 DM stellten Arbeitslohn dar. Ansonsten liege kein Arbeitslohn vor. Insoweit fehle es an einer Bereicherung des V.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Es habe sich nicht um ein Fest des V, sondern um eine betriebliche Veranstaltung gehandelt. In der Ausrichtung des Empfangs durch die Klägerin könne folglich nicht die Übernahme privater Lebensführungskosten des V gesehen werden.
Hinweis
1. Die Besprechungsentscheidung ist – auch in dogmatischer Hinsicht – von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Soweit ersichtlich, spricht der BFH erstmals aus, dass § 12 Nr. 1 EStG nur auf der Ausgabenseite von Bedeutung ist; § 12 Nr. 1 EStG gilt auf der Einnahmenseite nicht.
Die bisherige Rechtsprechung war dadurch gekennzeichnet, dass auch die Einnahmenseite zwar nicht verbal, so doch im Ergebnis den restriktiven Regeln des § 12 EStG (Aufteilungs- und Abzugsverbot) unterworfen wurde (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 9.8.1996, VI R 88/93, BStBl II 1997, 97). Im Ergebnis war dies jedoch eine versteckte analoge Anwendung des § 12 Nr. 1 EStG zu Lasten der Steuerpflichtigen.
2. Das Besprechungsurteil macht den Weg frei für eine sachgerechtere Beurteilung von Jubiläumsfeiern, die ein Arbeitgeber veranstaltet. Zwar steht außer Frage, dass die Übernahme von Kosten einer privaten Feier eines Arbeitnehmers eine Lohnzuwendung (Arbeitslohn) darstellt. Nimmt aber ein Arbeitgeber ein Jubiläum eines (herausragenden) Arbeitnehmers zum Anlass, um eine betriebliche Veranstaltung durchzuführen, so muss der bloße Zusammenhang mit dem persönlichen Jubiläum nicht dazu führen, dass Arbeitslohn vorliegt. Liegt unter Würdigung aller Umstände eine Feier des Arbeitgebers vor, so ändert sich daran nichts, wenn z.B. ein Geburtstag eines Arbeitnehmers gleichsam als "Aufhänger" für die betriebliche Veranstaltung genutzt wird. Insoweit hat der VI. Senat die Akzente der bisherigen Rechtsprechung verschoben.
3. Der BFH hat nachdrücklich herausgestellt, dass es dem Tatrichter obliegt, die für die Veranstaltung maßgeblichen Umstände zu erforschen und zu bewerten. Das FG hat sorgfältig zu beurteilen, ob es sich um ein privates Fest des Arbeitnehmers (Einkommensverwendung des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber finanziert – Folge: Arbeitslohn) oder um eine betriebliche Feier des Arbeitgebers handelt.
4. Im Rahmen der unerlässlichen Gesamtwürdigung des betreffenden Einzelfalls können folgende Kriterien eine Rolle spielen:
- Wer ist Gastgeber?
- Wer bestimmt die Gästeliste?
- Umfang der Gästeliste?
- Welche Gäste sind eingeladen?
- Auswahl der Gäste nach geschäftsbezogenen Gesichtspunkten?
- Handelt es sich um Geschäftspartner des Arbeitgebers, Angehörige des öffentlichen Lebens (z.B. Verbandsfunktionäre, Bürgermeister, Presse), Mitarbeiter des Arbeitgebers oder um private Freunde und Bekannte des Arbeitnehmers?
- Wo wird die Feier durchgeführt (in den Räumen des Arbeitgebers oder z.B. an einem vom Arbeitnehmer gewählten Ort)?
- Wird – ggf. in welcher Weise – die Feier für die Selbst- bzw. Eigendarstellung, Imagepflege des Arbeitgebers genutzt?
- Hat die Feier insgesamt (eher) den Charakter einer privaten Feier oder nicht?
5. Im Streitfall hatte das FG die Kosten für den Jubilar und seine vier Familienangehörigen als Arbeitslohn behandelt. Da die Klägerin jedoch keine Ansch...