Leitsatz
Die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos wird nur dann gem. § 27 Abs. 1 S. 5 KStG 2002 festgeschrieben, wenn mindestens einem Anteilseigner eine Bescheinigung i.S. v. § 27 Abs. 3 KStG 2002 ausgehändigt wurde. Eine Festschreibung tritt nicht ein, wenn den Anteilseignern solche Bescheinigungen nicht erteilt wurden, weil die Kapitalgesellschaft irrtümlich davon ausging, es sei ausreichender ausschüttbarer Gewinn vorhanden.
Normenkette
§ 27 Abs. 1 S. 3 und 5, Abs. 3 KStG 2002
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine AG mit abweichendem Wirtschaftsjahr auf den 31.07. Durch Beschluss der Hauptversammlung vom 06.11.2001 wurde das Grundkapital von 10 Mio. DM auf 2,5 Mio. EUR herabgesetzt. Der Differenzbetrag von rd. 2,6 Mio. EUR wurde der Kapitalrücklage zugeführt.
Am 15.11.2002 beschloss die Hauptversammlung eine Gewinnausschüttung von 862 000 EUR, die am 30.12.2002 ausgezahlt wurde. Die für die Aktionäre ausgestellten Steuerbescheinigungen wiesen die Dividende in voller Höhe als Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus; die Zeile für "Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto" blieb in der KapESt-Anmeldung für Dezember 2002 leer.
Das FA stellte den Bestand des Einlagekontos zum 31.07.2002 mit 974821 EUR und das steuerliche Einlagekonto nach § 27 Abs. 2 S. 1 KStG 2002 zum 31.07.2003 mit 255864 EUR fest. Das FA hatte darin die Ausschüttung i.H.v. 862000 EUR um den ausschüttbaren Gewinn zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs i.H.v. 143043 EUR gemindert und den Differenzbetrag von 718957 EUR als Minderung des steuerlichen Einlagekontos behandelt. In einem späteren Änderungsbescheid wurde das Einlagekonto zum 31.07.2003 mit 974821 EUR estgestellt.
Die Klägerin reichte daraufhin eine geänderte KapESt-Anmeldung für Dezember 2002 ein. Darin wurden nur noch 143043 EUR als steuerpflichtige Kapitalerträge angemeldet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach der Anlage zum Feststellungsbescheid zum 31.07.2003 die Dividende i.H.v. 718957 EUR aus dem steuerlichen Einlagekonto verwendet worden sei.
Den Empfängern der Kapitalerträge wurden berichtigte Steuerbescheinigungen ausgestellt, die den ESt-FÄ der Anteilseigner zugeleitet wurden.
Das FA lehnte die Änderung der KapESt-Festsetzung ab. Ihr stehe § 27 Abs. 1 S. 5 KStG 2002 entgegen. Die in einer Bescheinigung zugrunde gelegte Minderung des Einlagekontos werde danach in dem bescheinigten Umfang festgeschrieben.
Das FG gab der anschließenden Klage statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2008, 10 K 169/06, Haufe-Index 2125573, EFG 2009, 875).
Entscheidung
Der BFH schloss sich dem an:
Die ursprünglichen Bescheinigungen hätten keine Angaben zu einer Berührung des steuerlichen Einlagekontos enthalten. Dies beruhe ersichtlich auf der Annahme der Klägerin, dass die Ausschüttung für die Anteilseigner insgesamt steuerpflichtig sei. Vor diesem Hintergrund hätte eine Bescheinigung nach § 45a Abs. 2 EStG genügt. Die Feststellungen des FG legten zwar nahe, dass die Klägerin ein Formular für die Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG 2002 verwendet habe; dies allein könne jedoch nicht die Rechtsfolge des § 27 Abs. 1 S. 5 KStG 2002 auslösen. Dazu bedürfte es vielmehr zumindest irgendwelcher Angaben, die sich auf das steuerliche Einlagekonto bezögen. Daran fehle es jedoch, sodass nicht von einer "Bescheinigung der Minderung des Einlagekontos" gesprochen werden könne. Ob es anders wäre, wenn die Bescheinigung ausdrücklich eine Minderung in Höhe von Null ausgewiesen hätte, könne offenbleiben.
Hinweis
1. Die Grundsätze ergeben sich aus dem Gesetz und sind eigentlich ‚klar’:
Gewinnanteile aus Aktien unterliegen als Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG dem Steuerabzug nach dem Kapitalertrag (§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG), sofern dafür nicht das steuerliche Einlagekonto als verwendet gilt; solche Bezüge gehören nicht zu den Einnahmen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG). Sie sind folglich auch nicht KapESt-pflichtig.
Nach § 27 Abs. 1 S. 3 KStG 2002 mindern Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von Nennkapital i.S.v. § 28 Abs. 2 S. 2 KStG 2002 das steuerliche Einlagekonto nur, soweit die Summe der im Wirtschaftsjahr erbrachten Leistungen den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigt. Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um das gezeichnete Kapital geminderte, in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 1 S. 4 KStG 2002).
2. Allerdings: § 27 Abs. 1 S. 5 KStG 2002 bestimmt, dass die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung in Fällen unverändert bleibt, in denen für die Leistung der Kapitalgesellschaft die Minderung des Einlagekontos bescheinigt worden ist. Stellt sich nach Erteilung der Bescheinigung heraus, dass entweder noch andere Eigenkapitalanteile vorhanden waren, aus denen die Ausschüttung hätte finanziert werden können, oder dass eine höhere Einlagenrückgewähr vorliegt als bescheinigt, wird die Verwendungsreihenfolge festgesch...