rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung eines Jahressteuerbescheids bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen. Vorläufiger Rechtsschutz gegen Ablehnung der Stundung. Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Antrag auf Aussetzung des Jahressteuerbescheids ist auch dann zulässig und nicht als Wiederholung eines erfolglosen Aussetzungsantrags rechtsmissbräuchlich, wenn der Aussetzungsantrag bezüglich der Vorauszahlungsbescheide bereits zurückgenommen wurde.

2. Ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit einer Einkommensteuerfestsetzung bestehen nicht, wenn das BVerfG zwar die der Festsetzung zugrunde liegende Norm über die Beschränkung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, jedoch deren Fortgeltung bis zu einer Neuregelung anordnet.

3. Die Aussetzung der Vollziehung ist auch bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nur zu gewähren, wenn darüber hinaus ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, das das öffentliche Interess an einer geordneten Haushaltsführung überwiegt.

4. Das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung ist gegenüber dem Individualinteresse des Steuerpflichtigen nur dann nachrangig, wenn das Steuergesetz mit höherer Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig ist und nicht damit gerechnet werden kann, dass das Bundesverfassungsgericht die Weitergeltung des Gesetzes anordnet oder wenn dem Steuerpflichtigen durch die vorläufige Vollziehung irreparable Nachteile drohen, die den Rechtsschutz hinfällig werden lassen oder wenn das zu versteuernde Einkommen unter dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum liegt.

5. Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Ablehnung oder den Widerruf einer Stundung wird im Wege der einstweiligen Anordnung und nicht durch Aussetzung der Vollziehung des angegriffenen Stundungsbescheids gewährt.

6. Die Aussetzung der Vollziehung ist trotz des Vorliegens einer unbilligen Härte zu versagen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids fast ausgeschlossen sind.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2 S. 8, Abs. 3, § 114; EStG 1997 § 10 Abs. 1 Nrn. 2-3, Abs. 3-4; AO § 222; ZPO §§ 294, 920

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig sind in der Hauptsache die Einkommensteuerfestsetzungen der Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 (Streitjahre).

Die Antragsteller sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Antragsteller zu 1 war in den Streitjahren als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sowohl selbständig als auch nichtselbständig tätig. Die Antragstellerin zu 2 erzielte in den Streitjahren als Psychologin Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.

Der Antragsgegner schätzte zunächst – mangels Abgabe einer Steuererklärung – die Besteuerungsgrundlagen des Veranlagungszeitraums 2005 gem. § 162 der Abgabenordnung (AO) und setzte die Einkommensteuer durch Einkommensteuerbescheid vom 4. Februar 2008 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) fest. Hierbei berücksichtigte der Antragsgegner beim Antragsteller zu 1 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit laut Mitteilung des Finanzamts X über die gesonderte Gewinnfeststellung 2005 vom 16. August 2007 in Höhe von 5.006 EUR (Blatt 16 Einkommensteuerakten) und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung laut Mitteilung des Finanzamts Y über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2005 vom 5. Dezember 2007 in Höhe von 0 Euro (Blatt 22 Einkommensteuerakten). Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2 berücksichtigte der Antragsgegner im Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2005 Einkünfte aus selbständiger Arbeit laut Mitteilung des Finanzamts X für 2005 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in Höhe von 65.877 EUR. Bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen legte der Antragsgegner darüber hinaus Vorsorgeaufwendungen in Höhe von insgesamt 10.138 EUR der Steuerfestsetzung zu Grunde (Blatt 26 bis 28 Einkommensteuerakten).

Mit Schreiben vom 7. März 2008, Eingang beim Antragsgegner am 10. März 2008, erhoben die Antragsteller vertreten durch ihren Bevollmächtigten Einspruch und beantragten gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung des angegriffenen Bescheids (Blatt 30 Einkommensteuerakten). Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 19. März 2008 durch den Antragsgegner als unbegründet zurückgewiesen (Blatt 32 bis 35 Einkommensteuerakten). Mit Schreiben vom 25. April 2008 erhob der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 4. Februar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. März 2008. Das Verfahren ist beim Finanzgericht unter dem Aktenzeichen 8 K 1931/08 anhängig. Die Klage wurde bisher noch nicht begr...

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