Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Änderung der Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung bei nachträglichem Bekanntwerden der zutreffenden Schlüssel-Nummer für schadstoffarmen PKW; Mitteilung der Schadstoffklasse als Grundlagenbescheid der Zulassungsbehörde
Leitsatz (redaktionell)
1. Erfährt das FA erst bei der Abmeldung eines PKW mit Dieselantrieb (Selbstzünder), dass die ursprünglich von der Zulassungsstelle mitgeteilte Schlüssel-Nummer falsch war und das Fahrzeug tatsächlich zu einer - seit 1.7.1997 aufgrund einer Steuersatzerhöhung durch das KraftStÄndG 1997- höher besteuerten Schadstoffklasse gehört hat, so darf die Kraftfahrzeugsteuer innerhalb der geltenden Verjährungsfrist rückwirkend nach § 12 Abs.2 Nr.1 KraftStG neu festgesetzt werden; §12 Abs.2 Nr.4 sowie § 18 Abs.3 KraftStG stehen dem nicht entgegen.
2. Die verkehrsrechtliche Feststellung der Einstufung eines PKW als schadstoffarm, die durch den Eintrag in den Kfz-Papieren und bestimmte Schlüssel-Nummern ausgedrückt wird, bildet einen Verwaltungsakt der dafür zuständigen Verkehrsbehörden, der als Grundlagenbescheid auch für die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer bindend ist und das FA auch dann noch zu einer Änderung nach § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 verpflichtet, wenn der Grundlagenbescheid zunächst falsch ausgewertet worden ist.
3. Zum Anwendungsbereich / Konkurrenzverhältnis von § 12 Abs.2 Nr.1, § 12 Abs.2 Nr.4 und § 18 Abs.3 KraftStG.
Normenkette
KraftStG 1994 § 12 Abs. 2 Nr. 1; KraftStG 1997 § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, e; AO 1977 § 169; KraftStG § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2 S. 2; AO 1977 § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; KraftStG § 12 Abs. 2 Nr. 4, § 18 Abs. 3; FGO § 69 Abs. 2-3; KraftStÄndG 1997
Gründe
Streitig ist, inwieweit an der nachträglich festgesetzten erhöhten Kraftfahrzeug-Steuer (KraftSt) für Dieselfahrzeuge ernstliche Zweifel bestehen (§ 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Der Antragsteller war vom 17. Februar 1993 bis 20. Januar 2000 Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … Das Fahrzeug ist mit einem Dieselantrieb (Selbstzünder) mit einem Hubraum von 1.570 cm³ ausgestattet, wurde am 20. März 1988 erstmals zum Verkehr zugelassen und ist als „schadstoffarm” anerkannt.
Mit Bescheid vom 4. März 1993 setzte der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) die KraftSt für die Zeit ab 17. Februar 1993 nach einem Steuersatz von 29,60 DM/100 cm³ auf 473 DM jährlich fest. Durch Bescheid vom 28. Januar 1994 wurde die KraftSt aufgrund einer Steuererhöhung für Diesel-Pkw gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) für die Zeit ab 1. Januar 1994 nach einem Steuersatz von 37,10 DM/100 cm³ auf 593 DM jährlich festgesetzt.
Am 8. Februar 2000 erging auf Veranlassung der Zulassungsstelle aufgrund der erfolgten Abmeldung des Fahrzeug ein KraftSt-Bescheid des FA für den Antragsteller, in welchem gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG aufgrund der selben Besteuerungsgrundlagen für die Zeit vom 17. Februar 1999 bis zum 27. Januar 2000 (damals angenommenes Ende der Steuerpflicht) die KraftSt auf 559 DM festgesetzt wurde, was zu einer Erstattung von 34 DM führte.
Im Zusammenhang mit der Ab- bzw. Ummeldung des Fahrzeugs erhielt das FA Kopie aus dem Fahrzeugbrief, woraus sich ergab, dass der Antrieb als „schadstoffarm E”, „schadstoffarm ab dem Tag der Erstzulassung”, Schlüssel-Nr. „03” eingestuft war. Nach den dem FA zuvor bekannten Merkmalen war in den (elektronisch gespeicherten) Besteuerungsunterlagen des FA die Schlüssel-Nr. „01” vermerkt. Mit Bescheid vom 10. März 2000 setzte das FA danach gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG die KraftSt für die Zeit ab 1. Juli 1997 nach einem Steuersatz von 57,10 DM/100 cm³ auf jährlich 913 DM fest. Durch weiteren Bescheid vom 13. März 2000 wurde das Ende der Steuerpflicht zum 20. Januar 2000 berücksichtigt.
Im Ergebnis verblieb eine Steuererhöhung von insgesamt 804 DM, die nach den Bescheiden vom 10. und 13. März 2000 am 13. April 2000 fällig war.
Gegen den Bescheid vom 10. März 2000 hat der Antragsteller am 14. März 2000 Einspruch eingelegt und sich auf die Bestandskraft der vorherigen Steuerbescheide berufen. Die Nachforderungen seien für ihn unverständlich. Die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers haben den Einspruch ergänzend ebenfalls damit begründet, aufgrund der bestandskräftigen Steuerfestsetzungen könne eine Steueränderung für die Vergangenheit nicht mehr erfolgen. Insbesondere gebe § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG hierfür keine Rechtsgrundlage. Auch soweit die Mitteilung der Zulassungsstelle über den Schadstoffschlüssel einen Grundlagenbescheid bilde, könne dieser nur mit Wirkung für die Zukunft geändert werden.
Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.
Mit Schreiben vom 10. April 2000 beantragte der Antragsteller beim FA, die Vollziehung des Bescheids vom 13. März 2000 auszusetzen. Dies lehnte das FA mit Bescheid vom 19. April 2000 ab und hielt daran gegenüber den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 11. Mai 2000 fest.
Mit dem am 22. Mai 2000 bei Gericht eingegangenen Antra...