Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG 1984. Gewerbesteuer-Meßbescheide für 1986 bis 1989
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird eingeholt zu der Frage, ob § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG 1984 in den Veranlagungszeiträumen 1986 mit 1989 mit Art. 3 Abs. 1, 106 Abs. 6 GG unvereinbar und deshalb nichtig ist.
Normenkette
GewStG 1984 § 2 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 106 Abs. 6, Art. 100 Abs. 1
Tenor
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird eingeholt zu der Frage, ob § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes 1984 (GewStG) in den Veranlagungszeiträumen 1986 bis 1989 mit Art. 3 Abs. 1, 106 Abs. 6 GG unvereinbar und deshalb nichtig ist.
Gründe
…Ist § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG nicht verfassungswidrig, muß der Senat allenfalls den für das Streitjahr 1986 festgesetzten GewSt-Meßbetrag ändern und die Klage im übrigen als unbegründet abweisen…
In der vorliegenden Finanzstreitsache wäre die Revision möglicherweise deshalb gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil bislang die Gründe einer Entscheidung des BFH nicht veröffentlicht worden sind, aus denen sich eindeutig der Rechtsgrundsatz ergibt, daß auch derjenige Steuerpflichtige Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, der den Gebrauch eines Grundstücks aufgrund eines Erbbaurechts – bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale einer Betriebsaufspaltung – überläßt. Für die Beurteilung der – von dem Senat in der vorliegenden Finanzstreitsache bejahten – Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Frage ist nämlich grundsätzlich die Rechtsansicht des vorlegenden Gerichts maßgeblich (BVerfG-Beschluß vom 04.10.1989 1 BvL 32/82, 6/83, BVerfGE 81, 40/49 m.w.N.).
Die Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist schließlich nach Ansicht des Senats auch nicht mit Blick auf den BVerfG-Beschluß vom 25.10.1977 1 BvR 15/75 (BVerfGE 46, 224, BStBl II 1978, 125) unzulässig. Vielmehr hat sich seit dem BVerfG-Beschluß vom 07.10.1980 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79 (BVerfGE 55, 72) zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 GG und mit den BVerfG-Urteilen vom 27.06.1991 2 BvR 1483/89 (BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654) und vom 22.06.1995 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121) BStBl II 1995, 655 ein erheblicher Wandel in der Beurteilung der steuerlichen Lastengleichheit ergeben (vgl. zur Zulässigkeit einer erneuten Vorlage z. B. BVerfG-Beschluß vom 08.10.1991 1 BvL 50/86 (BVerfGE 84, 348/358). Außerdem konnte der BVerfG-Beschluß in BVerfGE 46, 224, BStBl II 1978, 125 die mit Art. 5 Nr. 4 Buchst. a, bb, Nr. 5 des Steueränderungsgesetzes 1977, Art. 2 Nr. 4 Buchst. a, Nr. 7, Nr. 13 des Steueränderungsgesetzes 1979 und Art. 4 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 bewirkten Eingriffe in die Struktur der GewSt, die u. a. dazu führten, daß die GewSt nur noch von einer – nicht (allenfalls) nach dem Maßstab des Bagatellfalles – beschränkten Anzahl von Gewerbebetrieben erhoben wird (Wendt, BB 1987, S. 1257 f.), nicht berücksichtigen.
Der Beschluß des BVerfG vom 12.03.1985 1 BvR 571/81 u. a. (BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475) hatte die in der vorliegenden Finanzstreitsache vorgelegte Frage nicht zum Gegenstand. Mit diesem Beschluß hat sich das BVerfG vielmehr mit der weiteren Entwicklung der Grundsätze zur Betriebsaufspaltung im Wege der Rechtsfortbildung und mit der Frage befaßt, ob bei der Beurteilung der personellen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen als Voraussetzung für eine Betriebsaufspaltung von einer – wenn auch widerlegbaren – Vermutung ausgegangen werden könne, Ehegatten verfolgten gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen.
Der Senat ist davon überzeugt, daß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG verfassungswidrig ist.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist deshalb vor allem verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 55, 72/88; 84, 348/359 und vom 11.02.1992 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238/244). Der Gleichheitssatz verlangt, daß die vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung sich – sachbereichsbezogen – auf einen vernünftigen oder sonst einleuchtenden Grund zurückführen läßt (BVerfG-Beschluß vom 08.04.1987 2 BvR 909/82 u. a., BVerfGE 75, 108/157).
Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG zieht jedoch die Gruppe der belasteten Steuerpflichtigen enger als der Grundsatz der steuerlichen Lastengleichheit (dazu BVerfG-Urteile in BVerfGE 84, 239/268 ff., BStBl II 1991, 654/664 f. und in BVerfGE 93, 121/134 f., BStBl II 1995, 655/660 f.) die maßgebliche Vergleichsgruppe, wenn sie die Steuerpflichtigen nicht nur nach ihrer bloßen finanziellen Leistungsfähigkeit, sondern nach dem weiteren Gesichtspunkt der Art ihrer – betr...