rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert für die Anfechtung eines Haftungsbescheides. Erörterungs- und Erledigungsgebühr
Leitsatz (redaktionell)
1. Die gleichzeitige Anfechtung von Haftungsbescheid und Leistungsgebot führt weder zu einer „Verdoppelung” des Streitwertes noch schließt die formelle Selbständigkeit der Anfechtungsbegehren ein Zusammenfallen beider Streitwerte aus.
2. Bezieht sich das gleichzeitig angefochtene Leistungsgebot auf den vollen Haftungsbetrag und kommt eine Auswahl z. B. zwischen Gesamtschuldnern oder eine Verteilung des Haftungsbetrages nicht in Betracht, bemisst sich das zusätzliche finanzielle Interesse an der erstrebten Aufhebung des Leistungsgebots mit 10 % des Haftungsbetrags.
3. Die Erledigungsgebühr setzt eine besondere Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten voraus, die über die allgemeine Prozessführung hinausgeht.
4. Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren bildet mit dem Verfahren der Aussetzung der Vollziehung eine einheitliche „Angelegenheit”, so dass gesonderte Streitwerte weder angesetzt noch zusammengerechnet werden können.
Normenkette
AO §§ 5, 118, 155 Abs. 1, § 171 Abs. 10, § 218 Abs. 1, §§ 219, 254, 347 Abs. 1 Nr. 1, § 351 Abs. 2; FGO § 40 Abs. 1 1. Fall, §§ 42-43, 155; ZPO § 5; RVG § 23 Abs. 1; GKG § 52 Abs. 1
Tenor
1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom … wird geändert:
Der vom Erinnerungsgegner an die Erinnerungsführerin zu erstattende Kostenbetrag wird auf … EUR (entsprechend … DM) festgesetzt.
Der Erstattungsbetrag ist seit … mit 5 % über dem Basiszinssatz unter Berücksichtigung von Zahlungen in Höhe von … vom … zu verzinsen.
2. Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Tatbestand
Bei der Festsetzung der vom Erinnerungsgegner (dem Finanzamt -FA-) zu erstattenden Kosten ist streitig, wie der gesamte Wert des Streitgegenstands des Klageverfahrens gegen einen Haftungsbescheid zu bemessen ist und inwieweit Erörterungs- und Erledigungsgebühren entstanden sind.
I.
Das FA hatte die Erinnerungsführerin (die Klägerin) mit Bescheid vom … gemäß § 50 a Abs. 5 Satz 5 Einkommensteuergesetz (EStG) im Gesamtbetrag von …[rd. 2,1 Mio] DM in Haftung genommen, weil von Vergütungen an eine ausländische Steuerpflichtige Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag in dieser Höhe einzubehalten gewesen wären. Mit dem Haftungsbescheid verbunden wurde ein Leistungsgebot, mit dem die Klägerin zur Zahlung des genannten Gesamtbetrags aufgefordert wurde. Den … Einspruch wies das FA durch Entscheidung vom … zurück. Dagegen erhob die Klägerin … Klage (Az. …).
Während des Klageverfahrens schränkte das FA die Haftung und das Leistungsgebot durch geänderten Bescheid vom … jeweils auf einen Gesamtbetrag von …[rd. 1,5 Mio] DM ein. In der mündlichen Verhandlung … stellte die Klägerin den Antrag, den Haftungsbescheid und das Leistungsgebot in Form der Einspruchsentscheidung und des geänderten Bescheids aufzuheben. Das FA beantragte, die Klage insoweit abzuweisen.
Der Senat gab der Klage durch Urteil vom 20. September 2001 3 K 95/99 (Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2002, 28) statt und hob sowohl den Haftungsbescheid als auch das Leistungsgebot auf. Auf die vom Senat zugelassene Revision des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 13. November 2002 I R 90/01 (Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 201, 65, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2003, 249) das Urteils des Senats auf, soweit es das Leistungsgebot betraf, und wies die Klage insoweit als unzulässig ab. Im Übrigen wurde die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen. Die gesamten Kosten des Verfahrens wurden dem FA auferlegt. Der BFH stützte die Kostenentscheidung auf § 136 Abs. 1 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Aufgrund des für vorläufig vollstreckbar erklärten Senatsurteils vom 20. September 2001 beantragte die Klägerin … die Festsetzung der vom FA der Klägerin zu erstattenden Kosten. In einer ersten Berechnung berücksichtigte der Prozessbevollmächtigte eine Prozessgebühr … nach einem Geschäftswert von … [rd. 4,3 Mio] DM (je … [rd. 2,1 Mio DM bezüglich des Haftungsbescheids und des Leistungsgebots) und eine Verhandlungsgebühr … aus einem Geschäftswert von … [rd. 3,7 Mio] DM (… [rd. 1,5 Mio] DM für den Haftungsbescheid zuzüglich … [rd. 2,1 Mio] DM bezüglich des Leistungsgebots) sowie eine Erledigungsgebühr … aus einem Geschäftswert von … [rd. 700.000] DM (erledigter Teil des Haftungsbescheids: … [rd. 2,1 Mio] DM ./. …[rd.1,5 Mio] DM). In einer weiteren, geänderten Berechnung wurde anstelle der Verhandlungsgebühr eine Erörterungsgebühr … aus einem Geschäftswert von …[rd. 4,3 Mio] DM berücksichtigt. Für das Einspruchsverfahren wurden aus dem selben Geschäftswert je eine 10/10 Geschäftsgebühr und Besprechungsgebühr berechnet.
Die Klägerin ließ den Gegenstandswert u.a. damit begründen, mit Einspruch und Klage seien neben dem Haftungsbescheid auch das Leistungsgebot angefochten gewesen, welches einen selbständigen Verwaltungsakt (VA) darstelle. Dies ergebe sich aus – im Einzelnen angeführten – ges...