Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung (Haftungsbescheid vom 30.12.2003). Haftung des Geschäftsführers einer KG nach Anfechtung der Lohnsteuerzahlung durch den Insolvenzverwalter
Leitsatz (redaktionell)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG zur Haftung für ordnungsgemäß angemeldete, aber erst im Beitreibungsverfahren entrichtete Lohnsteuerbeträge, die nach Anfechtung der Leistung durch den Insolvenzverwalter wieder erstattet werden mussten, herangezogen werden kann, wenn der Insolvenzverwalter auch im Falle einer fristgerechten, freiwilligen Entrichtung die Leistung erfolgreich hätte anfechten können.
Normenkette
AO 1977 §§ 69, 34 Abs. 1, § 191; InsO § 130 Abs. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 2, § 38; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
1. Die Vollziehung des Haftungsbescheids wegen Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlägen vom 30. Dezember 2003 wird bis einen Monat nach Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache in vollem Umfang ausgesetzt.
2. Die Beschwerde wird zugelassen.
3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 30. März 2003 für Lohn- und Kirchenlohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag der … R. B. GmbH & Co. KG (im Folgenden KG), nachdem der Insolvenzverwalter die beigetriebene Zahlung der Steuerschuld erfolgreich gegenüber der KG angefochten hat.
Der Antragsteller war Kommanditist der KG und Gesellschafter-Geschäftsführer der an dieser Gesellschaft als Komplementärin beteiligten … R. B. Beteiligungs GmbH (im Folgenden Komplementär-GmbH). Weitere Kommandististin der KG war die … A. M. GmbH (im Folgenden M-GmbH). Geschäftsführer der M-GmbH, die auch an der Komplementär-GmbH beteiligt war und ebenfalls als deren Geschäftsführerin fungierte, war M. R. der darüber hinaus zweiter Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war. Ausweislich der Bilanz zum 31. Dezember 1999 betrug der laufende Verlust des Jahres 858.632,05 DM. Der Jahresfehlbetrag belief sich auf 860.757 DM. Laufender Verlust und Jahresfehlbetrag erhöhten sich im Jahr 2000. Mit Urkunde vom 11. Juli 2000 veräußerte die M-GmbH sowohl ihren Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH als auch ihren Kommanditanteil an der KG an den Antragsteller.
Am 8. Mai 2000 trieb der Antragsgegner die vorangemeldeten Umsatzsteuerbeträge November 1999 und die Umsatzsteuersondervorauszahlung 2000 in Höhe von 41.986,40 DM sowie die Lohnsteuer Februar 2000 und Säumniszuschläge auf diverse Altschulden aus dem Jahr 1999 in Höhe von 38.503,46 DM zwangsweise bei, da vorausgegangene Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen ohne Erfolg geblieben sind. Weitere fällige Verbindlichkeiten bestanden zu diesem Zeitpunkt unter anderem gegenüber der Firma B. und M., Fe., der Firma G. H. GmbH, So., der Firma H. O. GmbH, S., der Spedition P., H., der Firma Ra. GmbH, N. und der Süddeutschen Metall Berufsgenossenschaft. Am 30. Mai 2000 und 3. Juli 2000 beglich die KG ohne Zwangsvollstreckungsmaßnahmen an den Antragsgegner die Zahllast aus den Umsatzsteuervoranmeldungen Januar 2000 bis März 2000 nebst steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von rund 100.000 DM. Auch diese Zahlungen sind vom Insolvenzverwalter angefochten worden.
Unter dem Datum 9. Mai 2000 und 12. Juli 2000 hat die KG die streitgegenständlichen Lohnsteueranmeldungen für Mai 2000 und Juni 2000 beim Antragsgegner eingereicht, die angemeldeten Beträge jedoch nicht abgeführt. Vielmehr sind die rückständigen Lohnsteuerbeträge durch den Vollziehungsbeamten des Antragsgegners am 2. August 2000 und 10. August 2000 beigetrieben worden. Am 23. August 2000 stellte die KG, vertreten durch den Antragsteller als nunmehr alleinigen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 23. August 2000 wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und mit Beschluss vom 1. September 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit Schreiben vom 3. April 2002 erklärte der Insolvenzverwalter nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Insolvenzordnung (InsO) und § 143 InsO die Anfechtung der im Zeitraum vom 30. Mai 2000 bis 10. Mai 2000 erfolgten Zahlungen und bat um deren Rückerstattung. Daraufhin zahlte der Antragsgegner die beigetriebenen Beträge an den Insolvenzverwalter aus. Am 10. März 2003 fand vor dem Insolvenzgericht ein Schlusstermin statt. Unter Berücksichtigung einer Quote von 11, 87 % wurde vom Insolvenzberater am 16. Oktober ein Betrag von 24.276,75 Euro – ohne Bestimmung, welche Schulden damit getilgt werden sollten – an den Antragsgegner überwiesen, der den Betrag zur Tilgung rückständiger Umsatzsteuerschulden verwendet hat.
Mit Bescheid vom 30. Dezember 2003 nahm der Antragsgegner den Antragsteller nach § 69 AO in Verbindung mit § 34 AO für noch offene Lohnsteuer-, Kirchenlohnsteuer- und Solidaritätszuschlagsbeträge sowie steuerliche Nebenleistungen in Anspruch. Die Haftungssumme belief sich dabei – ohne Anrec...