Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des Familienleistungsausgleichs im Veranlagungszeitraum 2001

 

Leitsatz (redaktionell)

Beträgt bei einem individuellen Grenzsteuersatz von 28 % für das Streitjahr 2001 der sich durch Umrechnung des Kindergeldes für vier Kinder (14.280 DM) errechnete fiktive Steuerfreibetrag für jedes der Kinder 12.750 DM, ist das steuerlich zu verschonende Existenzminimum der Kinder bei weitem ausreichend von der Einkommensteuer freigestellt.

 

Normenkette

EStG §§ 31, 32 Abs. 6, § 66 Abs. 1; GG Art. 6, 20 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für ihre vier Kinder erhielten sie Kindergeld in Höhe von insgesamt 13.800,– DM (1. Kind: 3.000,– DM, 2. Kind: 3.000,– DM, 3. Kind: 3.600,– DM, 4. Kind: 4.200,– DM). Mit Einkommensteuerbescheid 1999 setzte der Beklagte bei einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 50.280,– DM Einkommensteuer nach der Splittingtabelle in Höhe von 6.480,– DM fest. Im Rahmen seiner Erläuterungen wurde festgestellt, die Günstigerprüfung habe ergeben, dass „die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums Ihres Kindes/Ihrer Kinder durch das ausgezahlte Kindergeld bzw. vergleichbare Leistungen bewirkt wurde. Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens wurde daher kein Kinderfreibetrag berücksichtigt”.

Den dagegen eingelegten Einspruch begründeten die Kläger wie folgt: Im Jahre 1999 hätten sie für die vier Kinder 13.800,– DM Kindergeld erhalten. Der durchschnittliche jährliche Sozialhilfebedarf ihrer Kinder habe in den alten Bundesländern bei je 6.912,– DM gelegen. Dieses führe zur folgenden Berechnung: (6.912,– DM × 4 =) 27.648,– DM ./. 13.800,– DM = 13.848,– DM. Das Ergebnis dieser Berechnung sei von ihrem im Einkommensteuerbescheid 1999 ermittelten zu versteuernden Einkommen abzuziehen.

Die den Einspruch hinsichtlich dieses Punktes zurückweisende Einspruchsentscheidung begründete der Beklagte dahingehend, dass die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz 1996 für einkommensteuerlich zu berücksichtigende Kinder entweder Kindergeld oder Kinderfreibeträge vorsehe. Im Laufe des Kalenderjahres werde ausschließlich Kindergeld entrichtet. Im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer werde die sog. Günstigerprüfung durchgeführt, d.h. überprüft, ob das gezahlte Kindergeld oder die Berücksichtigung des Kinderfreibetrages für den Steuerpflichtigen günstiger sei. Sei das entrichtete Kindergeld insgesamt höher als die steuerliche Entlastung durch den Kinderfreibetrag, verbleibe es beim ausgezahlten Kindergeld. Auf den Fall der Kläger bezogen bedeute das, dass der dem durchschnittlichen Sozialhilfebedarf eines Kindes im Streitjahr entsprechende Kinderfreibetrag in Höhe von 6.912,– DM, insgesamt (für vier Kinder) 27.648,– DM, den Betrag des zu versteuernden Einkommens der Kläger in dieser Höhe vermindere. Allerdings sei letztlich zu überprüfen, ob die insofern eintretende einkommensteuerliche Ermäßigung für die Kläger in steuerlicher Hinsicht günstiger sei oder das bisher gewährte Kindergeld. Im Streitfall sei die steuerliche Ermäßigung geringer als das ausbezahlte Kindergeld in Höhe von 13.800,– DM. Insofern verbleibe es beim Ansatz des Kindergeldes.

In ihrer Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, letztlich werde ihr Familieneinkommen (= Einkommen, das über dem steuerfrei zu haltenden Existenzminimum liege) mit einem Steuersatz in Höhe von 52,12 % besteuert. Zu diesem Ergebnis komme man nach der folgenden Berechnung:

”Steuerpflichtiges Einkommen” im Streitjahr:

50.280,– DM

+

Kindergeld

13.800,– DM

=

Familieneinkommen

64.080,– DM

./.

Existenzminimum, das eine sechsköpfige Familie über Transferleistung vom Staat steuerfrei erhielte, wenn kein eigenes Einkommen vorhanden wäre (24.000,– DM für zwei Erwachsene + 27.648,– DM für vier Kinder)

51.648,– DM

Familieneinkommen

12.432,– DM

Jahressteuer laut Steuerbescheid 1999

6.480,– DM

= 52,12 %

Angenommen sie hätten keine Kinder, dann läge der Steuersatz bei 24,65 %:

Einkommen:

50.280,– DM

./.

Existenzminimum:

24.000,– DM

Familieneinkommen

26.280,– DM

Jahressteuer

6.480,– DM

= 24,65 %

Bei sechs Kindern steige der Steuersatz nach dieser Berechnung sogar auf 92,46 %. Diese Vorgehensweise des Beklagten verstoße gegen den Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit und sei nicht mit dem in der Verfassung gebotenen Schutz der Familie vereinbar. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass ihr zu versteuerndes Einkommen im Streitjahr in Höhe von 3.503,– DM unter dem Sozialhilfeniveau liege (26.135,– DM = Existenzminimum nach der Splittingtabelle + 27.648,– DM = 4 Kinderfreibeträge ./. 50.280,– DM = zu versteuerndes Einkommen = 3.503,– DM). In Höhe dieses Betrages sei das Kindergeld als Sozialhilfe, zur Deckung des Existenzminimums der Kinder, zu sehen. Es diene insoweit der Erreichung des Existenzminimums, was durch das eigene von ihnen erzielte Ein...

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