Kindergeldzahlungen an Arbeitgeber bei Nettolohnvereinbarung
Ob diese den Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers mindern, hat aktuell der BFH entschieden.
Nettolohnvereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Unter einer Nettolohnvereinbarung ist eine Abrede zwischen den Parteien eines Arbeitsverhältnisses des Inhalts zu verstehen, dass der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt als Nettolohn zahlt, der Arbeitnehmer also den als Nettolohn vereinbarten Betrag ungekürzt durch sämtliche oder bestimmte gesetzliche Abgaben erhält, während sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Beträge für den Arbeitnehmer zu tragen. Dabei ist der Arbeitgeber aufgrund der Nettolohnvereinbarung gegenüber dem Arbeitnehmer zu einer ungekürzten Auszahlung eines gleichbleibenden Monatsnettolohns verpflichtet.
Bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers führt die Nettolohnvereinbarung insbesondere dazu, dass bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben dem Nettolohn diejenigen Vorteile zu erfassen sind, die in der Übernahme von Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung durch den Arbeitgeber liegen. Deshalb hat der Arbeitnehmer in seiner Steuererklärung nicht lediglich den Nettolohn, sondern den Bruttolohn anzugeben. Denn der Arbeitnehmer bleibt auch bei Abschluss einer Nettolohnvereinbarung Schuldner der Lohnsteuer und seiner persönlichen Einkommensteuer.
Werden Erstattungsansprüche wegen zu viel gezahlter Lohnsteuer an den Arbeitgeber abgetreten, sind diese in dem Lohnzahlungszeitraum einkünftemindernd zu berücksichtigen, in dem das Finanzamt den Erstattungsbetrag an den Arbeitgeber geleistet hat, da zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Einnahmen des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber zurückgeflossen sind (BFH, Urteil v. 30.7.2009, VI R 29/06). Durch die Steuererstattung wird die in einer Nettolohnabrede strukturell angelegte und deshalb arbeitsvertraglich zunächst geschuldete Gehalts- beziehungsweise Steuerüberzahlung in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgeglichen. Insoweit fließt dem Steuerpflichtigen jedes Jahr ein Mehr an Einnahmen zu, als arbeitsvertraglich als Jahreslohn geschuldet.
Fall des BFH: Entsendung von Japan
In dem vom BFH entschiedenen Fall war der Kläger von Oktober 2017 bis August 2019 von seinem japanischen Arbeitgeber nach Deutschland entsandt worden. Der Kläger und seine Ehefrau haben zwei Kinder. Die Familie begleitete ihn nach Deutschland. Im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung erklärte sich der Kläger damit einverstanden, dass das Kindergeld an den deutschen Arbeitgeber, eine GmbH, ausgezahlt wird.
Hintergrund sei, dass die GmbH für sämtliche Lohnsteuern, die im Zusammenhang mit der Entsendung anfielen, eintrete. Die GmbH berücksichtigte das Kindergeld beim Lohnsteuerabzug nicht als negativen Arbeitslohn. Eine Kürzung des Bruttoarbeitslohns um das abgetretene Kindergeld nahm der Kläger aber im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung vor.
Das Finanzamt lehnte die Kürzung ab. Kindergeld sei kein Entgelt für geleistete Arbeit, sondern eine Steuervergütung.
BFH lässt Kürzung des Bruttoarbeitslohns zu
Der BFH hat aber anders entschieden ( Urteil v. 08.02.2024, VI R 26/21). Das Kindergeld werde als Steuervergütung im laufenden Kalenderjahr gezahlt und ist als solche Vorauszahlung auf eine mögliche einkommensteuerrechtliche Kinderentlastung. Bei der Einkommensteuerveranlagung ist der Kinderfreibetrag vom Einkommen abzuziehen, wenn die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums und der weiteren Bedarfsbeträge durch das Kindergeld nicht vollständig bewirkt wird.
In diesem Fall ist der Anspruch auf Kindergeld der festzusetzenden Einkommensteuer wieder hinzuzurechnen, weil es sonst zu einer Doppelberücksichtigung des Existenzminimums durch Steuerfreibeträge und Steuervergütung käme. Die Hinzurechnung erfolgt auch dann, wenn das Kindergeld an das Kind selbst oder einen Dritten ausgezahlt wurde (hat das Finanzamt auch im Streitfall getan).
Lässt sich der Arbeitgeber nicht nur die spätere Einkommensteuererstattung abtreten, sondern auch das Kindergeld als Vorauszahlung hierauf, sei nicht nur der abgetretene Einkommensteuererstattungsanspruch im Erstattungsjahr durch Abzug vom laufenden (Brutto-)Arbeitslohn zu berücksichtigen, sondern auch das an den Arbeitgeber abgetretene und gezahlte Kindergeld. Denn insoweit werde ebenfalls eine in der Nettolohnabrede strukturell an-gelegte und deshalb arbeitsvertraglich zunächst geschuldete Gehalts- bzw. Steuerüberzahlung ausgeglichen. Die Kinder werden im Lohnsteuerabzugsfahren nicht berücksichtigt. Dies erfolgte im Streitfall vielmehr zunächst durch die Auszahlung des Kindergelds an die GmbH.
Die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums und der weiteren Bedarfsbeträge wurde durch das Kindergeld allerdings nicht vollständig bewirkt, so dass bei der Einkommensteuerveranlagung die Kinderfreibeträge abzuziehen waren. Über den Familienleistungsausgleich habe sich das an die GmbH vorab ausgezahlte Kindergeld im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Kläger wiederum unmittelbar mindernd auf die Höhe des Steuererstattungsanspruchs ausgewirkt.
Die in Gestalt des monatlich ausgezahlten Kindergelds gewährte Steuervergütung vermindere folglich aufgrund der Hinzurechnung zur tariflichen Einkommensteuer den unter anderem durch die Kinderfreibeträge ausgelösten Erstattungsanspruch. Die durch die Hochrechnung des vereinbarten Nettogehalts strukturell erfolgte Gehalts- bzw. Steuerüberzahlung wurde nach Auffassung des BFH folglich nicht allein durch die Abtretung des (späteren) Einkommensteuererstattungsanspruchs ausgeglichen, sondern auch durch die Auszahlung des Kindergelds an die GmbH.
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