Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuersatz für vergorene Kirschmaische
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Lieferung vergorener Kirschmaische zur Herstellung von Brandweinen gehört nicht zu den typischen landwirtschaftlichen Umsätzen und unterliegt dem Regelsteuersatz.
2. Die Anlage zu § 12 Abs. 2 UStG findet nach dem eindeutigen Wortlaut des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG auf alkoholische Flüssigkeiten keine Anwendung.
3. Selbst wenn eine Bezugnahme auf die Anlage erfolgte, ergibt sich hieraus nicht die Zuordnung von vergorener Maische zum Zolltarif der Position 8.01 „Genießbare Fürchte und Nüsse”.
4. Es käme allenfalls eine Einordnung in Kapitel 22 des Zolltarifs als alkoholische Flüssigkeit in Betracht, die wiederum nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
Normenkette
UStG § 24 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-3, § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 5, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; UStG Anlage zu § 12 Abs. 2 Zolltarif Position 8.01
Nachgehend
Tenor
I. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid vom 04. April 2003 sowie die Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2004 werden ersatzlos aufgehoben.
II. Das beklagte Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, in welcher Höhe die Klägerin den Vorsteuerabzug für die ihr von Landwirten, die ihre Umsätze nach § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) versteuern, gelieferte vergorene Kirschmaische geltend machen kann.
Die Klägerin ist eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung, Vertrieb, Import und Export von Spirituosen. Im Streitjahr kaufte die Klägerin in erheblichem Umfang vergorene Kirschmaische auf und rechnete gegenüber den Lieferanten im Gutschriftsverfahren mit einem Umsatzsteuersatz von 16 % entsprechend § 24 Abs. 1 Nr. 2 UStG ab. Alle Maischelieferanten waren Landwirte, die ihre Umsätze nach § 24 UStG versteuern.
Im Rahmen einer in den Jahren 2002/2003 bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung für den Zeitraum 1998 bis 2000 stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin ab dem Jahr 2000 von Landwirten vergorene Maische aufgekauft und im Gutschriftsverfahren mit einem Umsatzsteuersatz von 16 % (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 UStG) abgerechnet hat. Der Prüfer beurteilte die Umsätze aus den Maischeanlieferungen abweichend von dieser Handhabung der Klägerin als Umsätze nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG und setzte dementsprechend den Vorsteuerabzug nur mit 9 % an. Die zu hoch ausgewiesene Vorsteuer wurde bei der Klägerin als nicht abzugsfähig behandelt. Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung nach Rücksprache mit der Oberfinanzdirektion und änderte mit Bescheid vom 04. April 2003 den Umsatzsteuerbescheid für 2000 dahingehend ab, dass sich für die Klägerin ein Nachzahlungsbetrag wegen zuviel geltend gemachter Vorsteuer in Höhe von 13.631,88 EUR ergab.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
In der Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2004 hielt das Finanzamt daran fest, dass die Lieferung von vergorener Maische durch einen nach § 24 UStG versteuernden Landwirt nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG dem Steuersatz von 9 % im Streitjahr unterliegt. Es verwies hierzu auf eine ihm vorliegende Zolltarifauskunft des Hauptzollamtes vom 10. Juli 2002, wonach (auch vergorene) Maische der Position 01 „Genießbare Früchte und Nüsse” des Zolltarifkapitels 8 zuzuordnen sei. Die Maische aus Früchten (hier Kirsche) sei demzufolge, entgegen der Auffassung der Klägerin, in die Zolltarifnummer 0809 – vgl. ErlKN Kap. 08 (KN) RZ 01.0 – einzuordnen. Es handele sich damit nach den Vorschriften des Zolltarifs nicht um eine alkoholische Flüssigkeit, die in Kapitel 22 einzuordnen wäre.
Hiergegen richtet sich die am 19. Februar 2004 bei Gericht eingegangene Klage, mit der die Klägerin weiterhin geltend macht, dass das Finanzamt zu Unrecht die streitgegenständliche Maische als Ware im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG behandelt habe. Die von ihr aufgekaufte Kirschmaische sei eine alkoholische Flüssigkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 2 UStG. Für die Anwendung des § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG bleibe danach kein Raum.
Die von ihr erworbene Kirschenmaische weise folgende Eigenschaften auf:
- • die Frucht sei durch Gärung zersetzt,
- • es handele sich um eine dünnfließende Flüssigkeit,
- • die Gärung werde unter Zugabe von Reinzuchthefen, Gärsalzen und Säuren eingeleitet, sei aber nicht abgeschlossen,
- • in der Flüssigkeit befänden sich nur Reste von Steinen der Frucht und zersetzte Schale der Frucht,
- • der Alkoholgehalt werde in Volumenprozent gemessen,
- • die Flüssigkeit habe einen Alkoholgehalt zwischen 7 und 10 Volumenprozent,
- • die Flüssigkeit könne, da erst dann die alkoholische Gärung abgeschlossen sei, frühestens drei Monate nach der Ernte angeliefert werden,
- • die Preisfindung richte sich ausschließlich nach dem vorhandenen Alkoholgehalt in Volumenprozent.
Da Maische zum menschlichen Genuss nicht bestimmt sei, scheide die Subsumtion unter den Begriff des Getränks aus. Aufgrund der Konsistenz...