Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Minderung des Unterschiedsbetrages nach § 233a AO 1977 um zu verrechnende Steuerguthaben aus anderen Veranlagungszeiträumen; Erlass von Zinsen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein nach § 233a AO 1977 zu verzinsender Unterschiedsbetrag aus einem Veranlagungszeitraum vermindert sich nicht um verrechnete Steuerguthaben aus anderen Veranlagungszeiträumen, deren 15-monatige Karenzzeit noch nicht abgelaufen ist.
2. Ausführungen zum Erlass von Zinsen nach § 233a AO 1977 wegen sachlicher Unbilligkeit
Normenkette
AO 1977 §§ 233a, 163, 227
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 09.10.2001; Aktenzeichen IV R 59/00) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Zinsen gemäß § 233 a Abgabenordnung 1977 (AO) zur Einkommensteuer (ESt) in Höhe von 61 DM sowie um deren Erlaß.
Die verheirateten Kläger (Kl) wurden aufgrund der am 30.01.1997 und der am 18.03.1997 beim Beklagten (Bekl) eingegangenen ESt-Erklärungen für 1995 und 1996 zusammen zur ESt veranlagt. Der Bekl führte die ESt-Veranlagungen gleichzeitig durch. Nach dem ESt-Bescheid 1996 von 12.06.1997 ergab sich eine ESt-Erstattung in Höhe von 6.065 DM. Der ebenfalls am 12.06.1997 ergangene ESt-Bescheid 1995 enthält folgende ESt-Festsetzung und ESt-Abrechnung:
Festgesetzt wurden: |
47.720 DM |
abzüglich Steuerabzug vom Lohn |
8.600 DM |
verbleibender Betrag |
39.120 DM |
bereits getilgt (= Vorauszahlung) |
6.975 DM |
Unterschiedsbetrag |
32.145 DM |
Ausgleich durch Verrechnung (= ESt-Erstattung 1996) |
6.065 DM |
noch zu zahlen |
26.080 DM |
Der Bekl setzte gleichzeitig gemäß § 233 a AO Zinsen zur ESt 1995 fest, die wie folgt berechnet wurden:
Festgesetzte ESt, gegebenenfalls vermindert um anzurechnende Steuerabzugsbeträge und Körperschaftsteuer |
39.120 |
DM |
Festgesetze Vorauszahlungen |
6.975 |
DM |
Unterschiedsbetrag zu Ungunsten der Kl |
32.145 |
DM |
zu verzinsen:
32.100 DM vom 01.04. – 15.06.1997 |
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(= 2 volle Monate zu 0,5 % = 1,0 %) |
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festzusetzende Zinsen (Nachzahlungszinsen) damit: |
321 DM |
Mit dem gegen diese Zinsfestsetzung vom 12.06.1997 erhobenen Einspruch trugen die Kl im wesentlichen vor, daß die Zinsen nicht aus dem Betrag von 32.100 DM, sondern aus dem Betrag nach Verrechnung des ESt-Guthabens 1996 von 6.975 DM, also aus dem effektiven Nachzahlungsbetrag in Höhe von 26.080 DM zu berechnen seien. Daraus folge eine Zinsfestsetzung von 260 DM.
Hilfsweise beantragten die Kl, den streitigen Zinsbetrag in Höhe von 61 DM aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen.
Mit Bescheid vom 05.11.1997 wies der Bekl den Antrag auf Erlaß der Zinsen zurück. Als sachlicher Billigkeitsgrund reiche nicht schon der Umstand, daß der Steuerpflichtige auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung und damit der Fälligkeit keinen Einfluß gehabt habe oder daß eine Verzögerung vom Finanzamt (FA) zu vertreten sei. Denn die Verzinsung sei als Ausgleich für mögliche Zinsvorteile des Schuldners bzw. Zinsnachteile des Gläubigers in diesen Fällen gewollt (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 18.03.199, Bundessteuerblatt – BStBl – II, 446).
Mit Einspruchsentscheidung vom 08.01.1998 wies der Bekl den Einspruch gegen die Zinsfestsetzung vom 12.06.1997 sowie den Einspruch gegen die Ablehnung des Erlaßantrags als unbegründet zurück.
Die angefochtene Zinsfestsetzung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Führe die Festsetzung der ESt zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne von § 233 a Abs. 3 AO, so sei dieser gemäß § 233 a Abs. 1 Satz 1 AO in der ab 28.12.1996 gültigen Fassung (Art. 18 und Art. 32 des Jahressteuergesetzes 1997, Bundesgesetzblatt – BGBl – I 1996, 2049) zu verzinsen. Unterschiedsbetrag sei nach § 233 a Abs. 3 Satz 1 AO die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen. Der Zinslauf beginne 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden sei, er ende mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam werde, spätestens 4 Jahre nach seinem Beginn, § 233 a Abs. 2 AO. Danach vermindere sich insbesondere der zu verzinsende Unterschiedsbetrag nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht um verrechnete Steuerguthaben aus anderen Veranlagungszeiträumen.
Zum beantragten Erlaß des streitigen Zinsbetrags in Höhe von 61 DM führte der Bekl aus: Nach § 227 AO könnten Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung über einen Billigkeitsantrag sei eine Ermessensentscheidung (Hinweise auf BFH-Urteil vom 24.03.1981 VIII R 117/78, BStBl II 1981, 505). Aus – im vorliegenden Streitfall allein in Betracht kommenden – sachlichen Billigkeitsgründen könne eine Steuer bzw. eine steuerliche Nebenleistung erlassen werden, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Tatbestand falle, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar sei, wenn also der Sachverhalt zwar den gesetzlichen Ta...