rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei Feststellung einer Formaldehydkonzentration von 0,112 ppm im Schlafzimmer eines Altbaus Kosten für den vom Steuerpflichtigen vorgenommenen Abriss des Bestandsgebäudes und eines Neubau nicht als außergewöhnliche Bleastungen abzugsfähig
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Hinblick auf die Belastung der Raumluft mit Formaldehyd in einem Wohnhaus ist beim Überschreiten des Grenzwertes von 0,1 ppm von einer konkreten Gesundheitsgefährdung auszugehen.
2. Hat ein vom Steuerpflichtigen mit einer baubiologischen Untersuchung beauftragter Diplom-Ingenieur im Schlafzimmer eines Altbaus zwar eine Formaldehydkonzentration von 0,112 ppm festgestellt, die übrigen Räume des Hauses aber nicht untersucht und zur Behebung derSchadstoffbelastung lediglich Mimimierungsmaßnahmen wie die Abdichtung von Fugen und Öffnungen sowie eine Verbesserung der (Ent-)Lüftung, nicht aber einen Abriss und Neubau des Gebäudes empfohlen, so waren die Aufwendungen für den vom Steuerpflichtigen anschließend veranlassten kompletten Abriss des Bestandsgebäudes und eines Neubaus nicht notwendig und sind daher nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1; ChemverbotsV § 3 Abs. 2; ChemverbotsV Anl. 1 Eintrag 1 Spalte 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von außergewöhnlichen Belastungen (agB) im Jahr 2018 (Streitjahr) i.H. von 191.567 Euro.
1. Der unverheiratete Kläger, geb. am XX.XX.XXXX, ist A.
Mit notariellem Kaufvertrag vom XX.XX.XXXX erwarb er ein mit einem freistehenden Einfamilienhaus (Baujahr XXXX) bebautes Grundstück in der a Straße 1 in B zu einem Kaufpreis von insgesamt 565.000 DM (Flurstück-Nr. XXX C; Grundstück X m²; …). Die Gesamtwohnfläche betrug X m² (…).
Die erste Etage mit X Zimmern, Diele und einem Bad wurde an die D GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Kläger war, vermietet (X m²; vgl. Mietvertrag vom XX.XX.XXXX, …). Die Gesellschaft wurde im Jahr XXXX liquidiert und am XX.XX.XXXX im Handelsregister gelöscht (Handelsregister des Amtsgerichts –AG– E HRX XXX).
2. Am XX.XX.XXXX ließ der Kläger das Schlafzimmer des Wohngebäudes baubiologisch von Diplom-Ingenieur F (Baubiologe VDB, b Straße 2 in E) –dem Zeugen– untersuchen, welcher mit „Kurzbericht” vom 24.03.2017 ausführte (…):
„Ergebnisse
- Die Raumluftmessung auf Holzschutzmittel ergab den Nachweis einer leicht auffälligen Lindan-Konzentration.
- Die Raumluftmessung auf Formaldehyd und weitere Aldehyde ergab aus baubiologischer Vorsorgesicht den Nachweis einer hohen Formaldehydkonzentration (0,112 ppm).
- Die Raumluftmessung auf Chloranisole ergab den Nachweis einer leicht über der in der Fachliteratur veröffentlichten Geruchsschwelle liegenden Konzentration an Trichloranisol, die ich auch beim Ortstermin als leichte Geruchsauffälligkeit in Teilbereichen wahrgenommen habe. Nach unserem Wissen kann hier jedoch noch nicht von einem Gesundheitsrisiko ausgegangen werden.
- Die Raumluftmessung auf Essigsäure ergab den Nachweis einer unauffälligen Raumluftkonzentration.
Fazit
- Es wird auch Bezug genommen auf die bei der Begehung während des Ortstermins gemachten Hinweise.
- Es werden Minimierungsmaßnahmen empfohlen, um insbesondere die Schadstoffkonzentration (Formaldehyd und Lindan) als auch die Geruchsauffälligkeit zu minimieren.
- Folgende Reduzierungsmaßnahmen können zum Beispiel in Frage kommen: Abdichtungen von Öffnungen und Fugen in den Wänden und an den Bauteilanschlüssen und Abdichtungen der Wand- und Deckenoberflächen. Installation dezentraler Lüftungsgeräte oder einer Lüftungsanlage. Für die Planung der Minimierungsmaßnahmen wären noch weitere Erkundungen erforderlich. Ich schlage vor –wenn Sie dies wünschen– einen weiteren Ortstermin hierfür durchzuführen.”
3. In einem ärztlichen Attest vom XX.XX.2017 führt G, c Straße 3 in B (Facharzt für Innere Medizin – Hausärztliche Versorgung) aus, dass der Kläger unter (…) leide, wenn er sich – –insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten– in seinen Wohnräumen aufhalte. Diese Beschwerden seien bei Geschäfts- und Urlaubsreisen auch im Winter „praktisch weggeblasen”. Der Zusammenhang mit dem häuslichen Raumklima sei durch Baugutachten zur Schadstoffbelastung mit Formaldehyd belegt. Um gesundheitlichen Schaden abzuwenden, riet er dem Kläger „wenn möglich” zur Sanierung oder zum Umzug, wobei eine solche Immobilie unverkäuflich sei. Durch eine Sanierung bzw. einen Teilabriss entstehende Kosten seien im „im weiteren Sinne … Gesundheitskosten” (…).
4. Der Kläger beantragte Ende des Jahres 2017 den Abbruch des bestehenden Wohngebäudes auf einem Bestandskeller sowie den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage. Die Stadt B genehmigte das Vorhaben mit Baugenehmigung vom XX.XX.2018 (..). Der Neubau war im Streitjahr „bewohnbar” (…).
Hierfür entstanden Aufwendungen i.H. von 259.399,96 Euro (…):
Maßnahme |
Aufwendungen |
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Genehmigung Neubau Wohnhaus |
1.780,00 Euro |
Statikberechnung/Standsicherheit Bestandskeller |
7... |