Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Vorläufigkeitsvermerks
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Finanzbehörde hat bei der vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 AO einen Ermessensspielraum, ob sie nachrangige Fragen zurückstellen will. Entscheidet sich die Finanzbehörde, Folgerechtsfragen sofort endgültig zu entscheiden, ist die Steuerfestsetzung hinsichtlich dieser Punkte endgültig.
2. Bei der Auslegung eines Vorläufigkeitsvermerks ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Finanzbehörde durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden darf.
Normenkette
AO 1977 § 165 Abs. 1-2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte berechtigt war, einen teilweise vorläufig erlassenen Bescheid zu ändern.
Die Kläger sind Eheleute.
Diese machten in ihrer für das Streitjahr 1994 abgegebenen Einkommensteuer (ESt) – Erklärung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (VuV) einen Verlust von DM geltend. Dieser Verlust betrifft eine in der belegene Eigentumswohnung, welche dem Kläger gehört.
Die Kläger erklärten Mieteinnahmen von DM und unter Hinweis auf eine beigefügte Anlage Werbungskosten von DM. In dieser Anlage führten sie die angefallenen Reparatur- und Finanzierungskosten im einzelnen auf. Ferner gaben sie in dieser Anlage die angefallenen Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten an, wobei sich ein Gesamtbetrag von DM ergab. Diesen Betrag kürzten sie um den Anteil für den Grund und Boden mit DM, wobei sie diesen mit -stel qm zu je DM ansetzten.
Hiernach ergab sich nach der Berechnung der Kläger eine Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung (AfA) von DM.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die genannte Anlage Bezug genommen.
Der Sachbearbeiter des Beklagten brachte auf dieser Anlage unter dem Datum vom 10. Januar 1996 folgenden Vermerk an:
„Angaben lt. Bewertungsstelle
AK= |
DM |
|
./. |
DM |
(25%) Grund + Boden |
|
DM |
(75%) Gebäude |
AfA nach § 7 (4) Nr. 2 EStG:
2% von.-”
Auf der Rückseite der Anlage V zur ESt-Erklärung der Kläger, die von diesen nicht ausgefüllt gewesen war, setzten unterschiedliche Sachbearbeiter des Beklagten in der Spalte Finanzierungskosten die von den Klägern angegebenen Finanzierungs- und Reparaturkosten mit DM und in der Spalte 44 betr. Schornsteinreinigung und Hausversicherungen einen Betrag von DM und die AfA mit DM ein, was einen Gesamtbetrag von DM ergab. Auf der Vorderseite der Anlage V brachte einer der Sachbearbeiter des Beklagten den Vermerk an: „Bescheid vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus V+V, da noch keine Einnahmen vorliegen.”
In dem teilweise nach § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vorläufig ergangenen ESt-Bescheid für 1994 vom 29. Januar 1996 berücksichtigte der Beklagte die Einkünfte des Klägers aus VuV mit einem Verlust von DM.
In den dem Bescheid beigefügten Erläuterungen wies der Beklagte u. a. wörtlich auf folgendes hin:
„Der Bescheid ergeht vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weil z.Z. die Einkunftserzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann.”
Zugleich legte der Beklagte in den genannten Erläuterungen dar, wie die AfA berechnet worden war.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den genannten ESt-Bescheid Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 30. Januar 1996 wandte sich der Prozeßbevollmächtigte der Kläger an die Oberfinanzdirektion mit der Bitte, ihm mitzuteilen, wie sich der im o.g. Bescheid angesetzte Vermietungsverlust zusammensetzt.
Im Rahmen der Überprüfung der Angelegenheit durch den Beklagten, an den das Schreiben vom 30. Januar 1996 zur Erledigung weitergeleitet worden war, stellte dieser fest, daß die AfA für ein ganzes Jahr und nicht nur mit einem Zwölftel für einen Monat berücksichtigt worden war.
Nach vorheriger Anhörung der Kläger erließ der Beklagte den vorliegend streitigen, nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO geänderten ESt-Bescheid vom 27. April 1998, in welchem er die AfA von ursprünglich DM auf nunmehr DM ermäßigte. In der Erläuterung zu diesem Bescheid wies der Beklagte u. a. darauf hin, daß der Bescheid hinsichtlich der Einkünfte aus VuV (nunmehr) endgültig ergehe.
Mit ihrer nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage machen die Kläger geltend, der Bescheid vom 27. April 1998 sei ersatzlos aufzuheben.
Zur Begründung tragen sie vor, der Beklagte ziehe nunmehr selbst das Vorliegen der Einkunftserzielungsabsicht nicht mehr im Zweifel. Es habe deshalb keine Berechtigung bestanden, den ursprünglichen Bescheid nach § 165 AO zu ändern.
Die Vorläufigkeit habe sich nur auf diesen Punkt, nicht hingegen auf die Höhe der Einkünfte bezogen. Dies folge daraus, daß der Beklagte vor Erlaß des ursprünglichen Bescheids die Angaben der Kläger zur Höhe der Vermietungseinkünfte überprüft habe. Diese Überprüfung sei aus dem Bescheid auch dadurch ersichtlich gewesen, daß der Beklagte in diesem Bescheid von den Angaben in der ESt-Erklärung abgewichen sei. Der Beklagte habe sich hinsichtlich der Höhe der Vermietungseinkünf...