rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktivierung von Umsatzsteuererstattungsansprüchen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Geldspielautomaten. Erstattung von Umsatzsteuern und Zinsen nach der Betriebsaufgabe als rückwirkendes Ereignis. Einkommensteuer aufgrund während des Insolvenzverfahrens zugeflossener nachträglicher Betriebseinnahmen als Masseverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Umsatzsteuererstattungsansprüche im Zusammenhang mit dem Betrieb von Geldspielautomaten, die vom FA bestritten worden waren, waren zum ersten Bilanzstichtag zu aktivieren, der auf die vorbehaltlose Veröffentlichung des BFH-Urteils v. 12.5.2005 (V R 7/02, BStBl 2005 II S. 617) im BStBl II vom 30.9.2005 folgte.
2. Tritt die Aktivierungspflicht erst zu einem Zeitpunkt ein, zu dem der Betrieb bereits aufgegeben worden war, handelt es sich bei den Umsatzsteuererstattungen nicht um nachträgliche Betriebseinnahmen. Vielmehr liegt ein steuerlich auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe zurückwirkendes Ereignis vor, das den Aufgabegewinn erhöht (entgegen BMF, Schreiben v. 5.7.2006 IV, B 2 – S 2141 – 7/06, BStBl 2006 I S. 418, Tz. 7).
3. Ein auf den Betriebsaufgabegewinn zurückwirkendes Ereignis liegt auch in Bezug auf die Zinsen nach § 233a AO vor, soweit die Erstattungszinsen im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe bereits wirtschaftlich entstanden waren. Nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb liegen hingegen vor, soweit die Zinsen auf die Zeit nach der Betriebsaufgabe entfallen.
4. Die durch während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des vormaligen Einzelunternehmers zugeflossene nachträgliche Betriebseinnahmen ausgelöste Einkommensteuer ist eine durch den Insolvenzverwalter bewirkte Masseverbindlichkeit und keine bereits bei Insolvenzeröffnung begründete Insolvenzforderung, wenn Zufluss der Erstattungszinsen darauf beruht, dass der Insolvenzverwalter das unterbrochene Einspruchsverfahren des vormaligen Schuldners gegen die Umsatzsteuerbescheide aufgenommen hatte.
5. Die Frage, ob eine Erhebungs- und Vollstreckungsbeschränkung (hier aufgrund insolvenzrechtlicher Haftungsbeschränkung) besteht, kann nicht im Festsetzungsverfahren, sondern nur im Abrechnungsverfahren geklärt werden.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 3, § 24 Nr. 2, § 5 Abs. 1 S. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 233a; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, §§ 38, 80, 87, 174 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Der Bescheid über die Einkommensteuer für 2008 vom 11. Dezember 2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2015 wird mit der Maßgabe geändert, dass die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb um xxx Euro gemindert werden und der Beklagte die danach festzusetzende Einkommensteuer zu berechnen hat. Der Beklagte hat den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Bescheid über die Einkommensteuer für 2008 mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 20 %, der Beklagte 80 %.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob im Laufe eines Insolvenzverfahrens erstattete Umsatzsteuern und Zinsen als nachträgliche gewerbliche Einkünfte bei der Einkommensteuerfestsetzung des ehemaligen Insolvenzschuldners zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger erzielte als Einzelunternehmer seit 1988 gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb mehrerer Spielhallen in A, B und C. Die Spielotheken in B und C wurden zum xx.xx. 2003 abgemeldet. Grund für die Gewerbeabmeldungen der Hauptniederlassung in B und der Zweigstelle in C war die Betriebsaufgabe zum xx.xx. 2003. Am xx.xx. 2003 eröffnete das Amtsgericht (AG) C das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers. Während des Insolvenzverfahrens ging der Kläger keiner gewerblichen Tätigkeit nach. Seine Spielhallen in A wurden zum xx.xx. 2003 abgemeldet. Auch diese Gewerbeabmeldungen wurden mit der vollständigen Betriebsaufgabe begründet. Das Insolvenzverfahren wurde nach Vollzug der Schlussverteilung und rechtskräftig erteilter Restschuldbefreiung durch das AG C mit Beschluss vom xx.xx. 2010 aufgehoben. Der Kläger hat aus der Insolvenzmasse kein Vermögen zurückerhalten.
Die vom Kläger mit Geldspielautomaten erzielten Umsätze wurden vom beklagten Finanzamt (FA) zunächst in den Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 1991 bis 1993 und 1996 bis 2002 der Umsatzsteuer unterworfen. Die hiergegen geführten Einspruchsverfahren waren bis zur Wieder...