rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
20 Jahre als maßgeblicher Beurteilungszeitraum für die Gewinnerzielungsabsicht beim Betrieb einer Photovoltaikanlage. Anerkennung der mit der PV-Anlage erzielten Verluste trotz negativer Ertragsprognose
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Gewinnerzielungsabsicht ist zweistufig zu prüfen. Sie besteht aus einer Ergebnisprognose und der Prüfung der einkommensteuerrechtlichen Relevanz der Tätigkeit. Bei einer positiven Ergebnisprognose ist die Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen; bei einer negativen Prognose ist weiter zu prüfen, welche Gründe dafür verantwortlich sind.
2. Für die Prognose, ob der Betrieb einer Photovoltaikanlage zu einem Totalgewinn führen kann, ist ein Prognosezeitraum von 20 Jahren (betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer einer PV-Anlage nach der amtlichen AfA-Tabelle) zugrunde zu legen. Das gilt für eine PV-Anlage in einem Solarpark insbesondere dann, wenn auch der abgeschlossene Verwaltervertrag sowie das Darlehen zur Finanzierung der Anlage eine Laufzeit von 20 Jahren haben und auch der Anspruch auf Einspeisevergütung nach § 21 Abs. 2 S. 1 EEG für die Dauer von 20 Kalenderjahren besteht. Dass ein Erbbaurecht bezüglich der PV-Anlage in dem Solarpark für einen längeren Zeitraum eingeräumt ist, kann keinen längeren Zeitraum für die Ergebnisprognose rechtfertigen.
3. Bei dem Betrieb einer PV-Anlage spricht zunächst der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass sie in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Dieser Anscheinsbeweis wird aber dann erschüttert, wenn aufgrund unvorhergesehener technischer Schwierigkeiten beim Betrieb der Anlage und einer dadurch unerwartet niedrigen Stromausbeute selbst nach der für den Kläger günstigsten Ergebnisprognose innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren mit dem Betrieb der PV-Anlage kein Gewinn erzielt werden kann. Diese negative Totalgewinnprognose indiziert ihrerseits nach der Lebenserfahrung das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht.
4. Aber auch dann, wenn die Ergebnisprognose negativ ist, kommt eine Liebhaberei nur in Betracht, wenn die Tätigkeit auf einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motiven beruht und sich der Steuerpflichtige nicht wie ein Gewerbetreibender verhält, z. B. wenn die verlustbringende Tätigkeit aus dem Bereich der allgemeinen Lebensführung und persönlichen Neigungen liegenden Gründen (weiter) ausgeübt wird.
5. Trotz einer negativen Ertragsprognose ist ein Verlust aus dem Betrieb der PV-Anlage weiter steuerlich anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige nicht Verluste, sondern Gewinne erwartet hat, also nicht Steuersparaspekte für sein Engagement ursächlich waren, und wenn er die Verluste nicht einfach hingenommen, sondern Maßnahmen zur Verbesserung des betrieblichen Ergebnisses ergriffen hat, indem er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten als kleinerer Unternehmer mit einer nur eingeschränkten Verhandlungsmacht nachhaltig mit der Verkäuferin und Betreiberin der PV-Anlagen in Verbindung gesetzt und versucht hat, eine Lösung für die auflaufenden Verluste zu finden.
6. Eine für eine Gewinnerzielungsabsicht schädliche persönliche Motivation ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger im Zuge der Finanzierung der PV-Anlage auch Rentenversicherungen beim Anbieter der Finanzierung abgeschlossen hat.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Sätze 1-2, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1; EEG § 21 Abs. 2 S. 1
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2012 vom 23. Oktober 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2015 wird dahingehend geändert, dass Verluste aus Gewerbebetrieb i.H. von x.xxx Euro anerkannt werden.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 Euro festgesetzt, hat der Kläger in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Verluste aus dem Betrieb von Photovoltaik-Anlagen (nachfolgend: PV-Anlagen) in 2012 (Streitjahr) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzuerkennen sind.
Der alleinstehende Kläger erzielte im Streitjahr aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit als Techniker Einkünfte i.H. von xx.xxx Euro. Mit notariellem Vertrag vom xx.xx. 2012 (UR Nr. xxxx/xxxx des Notars N, X, Allgemeine Akte, a.E.) erwarb er ferner
- von einer R-KG einen Anteil von 2/xxx an einem Erbbaurecht, das an den Grundstücken Flurstücken Nr. xxx/x und Nr. xxx/y –… Alle bzw. … Alle a (Anschrift jetzt: … Alle b-c, xxxxx R [nachfolgend: R], einem Ortsteil der Gemeinde H im Landkreis M)– verbunden mit dem Recht, die in einer weiteren notariellen Urkunde bezeichneten Teilflächen Nr. xxx und Nr. yyy „zur Errichtung einer … (PV-Anlage) ausschließlich zu benutze...