Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnerzielungsabsicht bei Betrieb einer Photovoltaikanlage auf dem selbstgenutzten Wohnhaus
Leitsatz (redaktionell)
1. Grundlage der im Rahmen der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht zu erstellenden Totalgewinnprognose sind tatsächliche Erträge und Aufwendungen, also nicht kalkulatorische Kosten wie z. B. ein Unternehmerlohn. Außergewöhnliche Verluste (und Gewinne) sind nur bei Vorhersehbarkeit in die Betrachtung einzubeziehen.
2. Bei Betrieb einer Photovoltaikanlage auf dem selbstgenutzten Wohnhaus ist der Totalgewinnprognose entsprechend der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Anlage ein Zeitraum von 20 Jahren zugrunde zu legen.
3. Hinsichtlich des im Haushalt des Unternehmers selbst verbrauchten Stroms liegt eine mit dem Teilwert zu bewertende und als Betriebseinnahme zu erfassende Entnahme gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG vor. Anzusetzen sind die Reproduktionskosten.
4. Ein Restwert der Anlage nach Ablauf des Prognosezeitraums ist ausgehend vom Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Investitionsentscheidung nicht zu berücksichtigen.
5. Wird der erzeugte Strom zu 90 % im eigenen Haushalt verbraucht, ist im Falle einer negativen Totalgewinnprognose davon auszugehen, dass die Verluste aus privaten, außerhalb der Einkunftssphäre liegenden Gründen in Kauf genommen werden.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2 S. 1, § 4 Abs. 1, 4, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 12 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Einkünften aus dem Betrieb einer Photovoltaik-PV-Anlage.
Der Kläger wurde in den Streitjahren 2015 und 2019 einzeln zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Im Jahr 2015 erhielt er im Zusammenhang mit einem zum XX.XX.XXXX beendeten Beschäftigungsverhältnis eine Abfindung in Höhe von X EUR. Außerdem bezog er Renteneinkünfte.
Im März 2016 nahm der Kläger eine auf dem Dach seines selbst genutzten Wohnhauses errichtete PV-Anlage in Betrieb. Die Anlage bestellte er im Dezember 2015 verbindlich (vgl. Bestätigung der Firma A GmbH vom 26.02.2017, …). Sie ist mit einem Stromspeicher (36,8 kWh) verbunden und dient zu mindestens 87 % der Deckung des Strombedarfs im Haushalt des Klägers. Die Gesamtanschaffungskosten der Anlage mit einer Nennleistung von 9,483 kWp betrugen 55.125,98 EUR (vgl. Rechnung der Firma A GmbH, …), wobei auf die PV-Anlage 18.621,05 EUR, den Stromspeicher 34.628,20 EUR und Anschaffungsnebenkosten 1.876,73 EUR entfielen. Die Anschaffungsnebenkosten betreffen ein Datenspeichersystem zur Ertragsoptimierung (vgl. Bestätigung der Firma A GmbH v. 09.06.2017, …).
Der Kläger erhielt einen Zuschuss der Bank 1 in Höhe von 5.700 EUR. Die PV-Anlage finanzierte er mit einem Darlehen der Bank 1. Das Darlehen löste er mit einem weiteren, einen Gesamtdarlehensbetrag von 351.000 EUR umfassenden Darlehen ab. Der Ablösebetrag betrug einschließlich Zinsabschluss, Margenschaden und Vorfälligkeitsentgelt zum 25.01.2017 42.493,56 EUR (vgl. Bescheinigung der Bank 2, …). Auf das neue Gesamtdarlehen hat der Kläger jährliche Zinsen in Höhe von 1.228,52 EUR zu entrichten. In den Jahren 2019 und 2020 leistete er jeweils einen Sparbeitrag (Sondertilgung) von 12.500 EUR auf das Darlehen.
Investitionsabzugsbetrag (40 % von 55.125,88 EUR) |
-22.050,39 EUR |
Absetzung für Abnutzung |
-1.136,06 EUR |
Sonderabschreibung nach § 7g EStG |
-743,02 EUR |
Fahrtkosten (331,96EUR + 356,04 EUR) |
-688,00 EUR |
Für das Jahr 2015 erklärte der Kläger für die PV-Anlage einen Verlust in Höhe von 24.709 EUR, der sich (u.a.) wie folgt zusammensetzt:
Der Beklagte veranlagte den Kläger mit Bescheid vom 29.06.2017 für 2015 zur Einkommensteuer und berücksichtigte einen Verlust in Höhe von 24.709 EUR. Die Festsetzung erfolgte vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil „zurzeit die Gewinnerzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann”. Am 08.11.2019 erging für 2015 ein zugunsten des Klägers geänderter ESt-Bescheid. Der Ansatz der streitbefangenen gewerblichen Einkünfte, einschließlich der diesbezüglichen Vorläufigkeit, blieb unverändert.
Für die Jahre 2016 bis 2019 erklärte der Kläger für die PV-Anlage gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) folgende gewerblichen Einkünfte:
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2016 |
2017 |
2018 |
2019 |
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USt.-pflicht. Betriebseinnahmen |
XXX |
XXX |
XXX |
136,89 |
Sachentnahmen (Eigenverbrauch) |
XXX |
XXX |
XXX |
2.124,41 |
USt.-freie Betriebseinnahmen (Anlagenabgang) |
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XXX |
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vereinnahmte USt / USt auf unentgeltliche Wertabgaben |
XXX |
XXX |
XXX |
311,56 |
erstattete USt |
XXX |
XXX |
XXX |
278,54 |
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Betriebseinnahmen gesamt |
XXX |
XXX |
XXX |
2.851,40 |
Betriebsausgaben gesamt |
XXX |
XXX |
XXX |
2.849,51 |
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Afa |
XXX |
XXX |
XXX |
1.369,00 |
Sonderabschreibung § 7g Abs. 5, 6 EStG |
XXX |
XXX |
XXX |
1.139,00 |
Sonderabschreibung § 7g Abs. 2 EStG |
XXX |
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Beiträge, Gebühren, Versicherung |
XXX |
XXX |
XXX |
162,00 |
Schuldzinsen |
XXX |
XXX |
XXX |
148,73 |
gezahlte Vorsteuerbeträge |
XXX |
XXX |
XXX |
30,78 |
gezahlte USt |
XXX |
XXX |
XXX |
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Summe Betriebseinnahm... |