Entscheidungsstichwort (Thema)

Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht einer auf dem eigenen Haus betriebenen Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Beurteilung, ob eine PV-Anlage mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird, ist ein Prognosezeitraum von 20 Jahren zugrunde zu legen. Wird die erzeugte Strommenge vom Kleinanlagenbetreiber nicht nachgewiesen, kann sie aus Vereinfachungsgründen unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Volllaststundenzahl von 1.000 kWh/kWp geschätzt werden.

2. Hinsichtlich des selbst verbrauchten Stroms kommt es zu einer mit dem Teilwert als Betriebseinnahme zu erfassenden Entnahme gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG; der Teilwert des selbst verbrauchten Stroms entspricht den für seine Erzeugung aufgewandten Kosten (Anschaffungskosten der PV-Anlage und Betriebskosten, verteilt auf die in 20 Jahren zu erwartende Stromproduktion) und kann bei der Totalgewinnermittlungsprognose nicht etwa mit dem von der Finanzverwaltung in bestimmten Fällen aus Vereinfachungsgründen akzeptierten Pauschalwert von 0,20 Euro/kWh angesetzt werden.

3. Bei der Totalgewinnermittlungsprognose ist kein Restwert der PV-Anlage nach Ablauf der 20-jährigen Nutzungsdauer als Einnahme zu berücksichtigen.

4. Bei dem Betrieb einer PV-Anlage spricht der Beweis des ersten Anscheins zunächst dafür, dass sie in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Dieser Anscheinsbeweis wird aber bereits dadurch erschüttert, dass nach einer Totalgewinnprognose innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren kein Gewinn erzielt werden kann.

5. Hat der Steuerpflichtige die Verluste aus der PV-Anlage im Hinblick darauf hingenommen, dass der selbst erzeugte Strom finanziell deutlich günstiger ist als der von einem Stromanbieter bezogene, so ist von persönlichen und außerhalb der steuerrechtlich relevanten Einkünftesphäre liegenden, gegen eine Einkunftserzielungsabsicht sprechenden Gründen für den Betrieb der PV-Anlage auszugehen.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Sätze 1-2, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die steuerliche Anerkennung von Verlusten aus dem Betrieb einer Photovoltaik-Anlage (im Folgenden PV-Anlage).

Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, aus Gewerbebetrieb sowie aus Vermietung und Verpachtung.

Mit notariellem Kaufvertrag vom XX.XX.XXXX hatte er das Gebäude A erworben. Das Erdgeschoss des Zweifamilienhauses war in den Streitjahren an den Bruder des Klägers vermietet, die Wohnung im Obergeschoss wurde unentgeltlich an die Eltern des Klägers überlassen, im Dachgeschoss wohnte der Kläger selbst.

Auf dem Dach des Hauses installierte der Kläger eine PV-Anlage, die am XX.XX. 2019 in Betrieb genommen wurde. Laut Rechnung der Firma B GmbH vom XX.XX.2019 betrugen die Anschaffungskosten der Anlage XXX Euro brutto (XXX Euro netto) inklusive XXX Euro brutto (XXX Euro netto) Arbeitsleistung (…). Zur Finanzierung der Kosten hatte der Kläger am XX.XX.2019 bei der Bank C ein Darlehen über XXX Euro aufgenommen (…).

Die Solarmodule der PV-Anlage haben eine Leistung von 9,900 kWp. Aus dem Herstellerprospekt ergibt sich, dass es sich bei dem verbauten Batteriesystem über einen DC-gekoppelten Anschluss mit integriertem Wechselrichter handelt (…). Laut Datenblatt des Herstellers übernimmt dieser für die Module die Gewährleistung über fünf und eine Produktgarantie über zehn Jahre (…). Der Hersteller des Stromspeichers inklusive Wechselrichter übernimmt ebenfalls eine „Systemgarantie” von zehn Jahren (…).

Der erzeugte Strom wird zum Teil im gesamten Haus selbst verbraucht, zum Teil ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Als Einspeisevergütung werden 0,1079 Euro/kWh gezahlt (…). Im Jahr 2019 wurden ab XX.XX.2019 insgesamt 886 kWh eingespeist, die im Jahr 2020 mit einer (Nach-)Zahlung von XXX Euro vergütet wurden. Die Einspeisung im Jahr 2020 betrug 2.875 kWh, die Vergütung XXX Euro. Der tatsächliche Eigenverbrauch und die tatsächliche Gesamtproduktion wurden nicht über einen Zähler ermittelt.

In seiner Einkommensteuererklärung 2018 machte der Kläger einen Verlust aus dem Betrieb der PV-Anlage i.H.v. XXX Euro durch Bildung eines Investitionsabzugsbetrags geltend. Der Einkommensteuerbescheid 2018 erging diesbezüglich vorläufig. Er wurde aus hier nicht streitigen Gründen am 7. August 2020 geändert.

Laut seiner Einkommensteuererklärung 2019 erzielte der Kläger in diesem Jahr einen Verlust aus dem Betrieb der PV-Anlage von XXX Euro. Der Bescheid hierüber war bezüglich der Einkünfte aus der PV-Anlage ebenfalls vorläufig und ging am 7. August 2020 zur Post. In der Einnahme-Überschuss-Rechnung erklärte der Kläger Einnahmen in Höhe von XXX Euro (netto) lediglich aus Eigenverbrauch, den er mit 2.000 kWh schätzte. Die Kilowattstunde wurde dabei mit den tatsächlich angefallenen Kosten von XXX Euro angesetzt.

In seiner Einnah...

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