Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalbeteiligung am Arbeitgeber als eigenständige Erwerbsgrundlage. Veranlassungszusammenhang. kein Gestaltungsmissbrauch bei Ehegatten, deren GmbH-Anteile nur zusammengenommen die Schwelle des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG überschreiten
Leitsatz (redaktionell)
1. Beteiligt sich ein Arbeitnehmer kapitalmäßig an seinem Arbeitgeber, kann die Beteiligung eigenständige Erwerbsgrundlage sein, so dass die damit in Zusammenhang stehenden Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis stehen. Im Falle der Veräußerung der Kapitalbeteiligung kommt dementsprechend eine Steuerbarkeit nach den einschlägigen Veräußerungstatbeständen des EStG (§§ 17, 20 Abs. 2, 23) in Betracht.
2. Ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht steuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
3. Ein Veranlassungszusammenhang kann nur dann bejaht werden, wenn der Arbeitnehmer, dem eine Kapitalbeteiligung an dem Unternehmen seines Arbeitgebers eingeräumt worden ist, einen Vorteil erhält, den ein fremder Dritter nicht erhalten hätte, er also die Beteiligung entweder verbilligt erwerben kann, aus dieser eine nicht marktübliche, erhöhte Rendite erhält oder einen nicht marktüblichen, erhöhten Veräußerungserlös erzielt.
4. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegt nicht schon deshalb vor, weil Ehegatten jeweils eigenständig Geschäftsanteile einer GmbH halten, die zwar zusammengenommen die 1%-Grenze des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG übersteigen, jeder Anteil für sich aber unter dieser Grenze bleibt.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 1 S. 1; AO § 42 Abs. 1
Tenor
1. Der geänderte Einkommensteuerbescheid 2009 vom 30.06.2014, geändert durch Bescheid vom 30.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.11.2014 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Erlöse aus der Veräußerung von GmbH-Anteilen als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu qualifizieren sind.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2012 als Geschäftsführer bei der X Y GmbH angestellt und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Diese setzten sich aus einem Fixgehalt und einem variablen Gehaltsbestandteil zusammen. Bei Letzterem handelte es sich um eine sogenannte Wertzuwachstantieme, die sich auf Grundlage des jährlichen Wertzuwachses der X-Unternehmensgruppe bemaß (§ … des Geschäftsführeranstellungsvertrages, Anlage …).
Im Juli 2005 übernahm eine Investorengruppe (im Folgenden: Mehrheitsgesellschafter) um die Z GmbH & Co. KGaA (Q….AG – Q-AG) und dem Ü (Ü) die X-Unternehmensgruppe. Die Übernahme erfolgte durch Anteilserwerb der X Y GmbH, der damaligen Gruppenholding. Die Investoren aus der Private Equity Branche handelten mit dem Ziel, das erworbene Unternehmen mittelfristig nach einer grundlegenden Umstrukturierung mit Gewinn zu veräußern. Um die angestrebte Wertsteigerung der erworbenen Unternehmensbeteiligung zu erreichen und einzelne Manager und Führungskräfte in der X-Unternehmensgruppe stärker an das Unternehmen zu binden, hatten die neuen Mehrheitsgesellschafter vorgesehen, ausgewählte Manager an der Holdinggesellschaft zu beteiligen.
Der Kläger erwarb mit notariellem Vertrag vom xx.xx.2006 vinkulierte Geschäftsanteile der Klasse A (Geschäftsanteile A) im Nennwert von xx.xxx EUR zu einem Preis von xxx.xxx EUR, der zum damaligen Zeitpunkt dem Verkehrswert entsprach, welcher aus dem Verkaufspreis der X-Unternehmensgruppe an die Mehrheitsgesellschafter abgeleitet wurde (Verkaufs- und Abtretungsvertrag, Anlage K7). Das Stammkapital der X Y GmbH bestand aus Stammgeschäftsanteilen der Klasse A im Nominalbetrag von × Millionen Euro und Vorzuggeschäftsanteilen der Klasse B in Höhe von × Millionen Euro. Bei den Geschäftsanteilen A handelte es sich um vollwertige Geschäftsanteile, die im Gegensatz zu den ausschließlich an die Mehrheitsgesellschafter ausgegebenen Geschäftsanteilen B Verwaltungs- und Stimmrechte gewährten. Die Geschäftsanteile B waren dagegen mit de...