Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der Grundsteuerwerte nach dem Landesgrundsteuergesetz Baden-Württemberg. ausgehend lediglich von Bodenrichtwerten von Richtwertgrundstücken in Bodenrichtwertzonen, ohne Berücksichtigung von aufstehenden Gebäuden. nicht verfassungswidrig
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Ermittlung der Grundsteuerwerte nach dem Landesgrundsteuergesetz Baden-Württemberg, ausgehend lediglich von Bodenrichtwerten von Richtwertgrundstücken in Bodenrichtwertzonen, ohne Berücksichtigung von aufstehenden Gebäuden, ist verfassungsgemäß und verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG oder gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG; hinsichtlich der Tätigkeit der Gutachterausschüsse liegt auch kein strukturelles Erhebungsdefizit vor. Die Gesetzgebungskompetenz des Landes ergibt sich aus Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG.
2. Der gemäß § 38 Abs. 1 LGrStG Baden-Württemberg vorgegebene pauschale Ansatz des Bodenrichtwerts des Richtwertgrundstücks einer Zone für alle Grundstücke dieser Zone ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen zu bewertenden Grundstücks, auch bei einer Abweichung des Verkehrswerts bis zu 30 %, ist verfassungsrechtlich zulässig. Die Regelung ist von der dem Gesetzgeber zustehenden Pauschalierungs- bzw. Typisierungsbefugnis gedeckt. § 38 Abs. 1 LGrStG Baden-Württemberg in Verbindung mit § 196 BauGB verstoßen auch nicht gegen den Justizgewährungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG.
3. Umweltschutzaspekte, wie insbesondere die Förderung von Grünflächen im Stadtgebiet als Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel, muss der Gesetzgeber auch unter der Beachtung der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG nicht in der Form besonderer Lenkungsvorschriften bei der Ausgestaltung der Grundsteuer berücksichtigen.
4. Bedenken, die gegen die Unabhängigkeit und Neutralität der Gutachterausschüsse geäußert werden, teilt das Gericht nicht (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 23.11.2023, 4 V 1295/23). Dass ein Bediensteter der zuständigen Finanzbehörde hauptamtlich tätig ist, stellt keinen Verstoß gegen § 192 Abs. 3 Satz 1 BauGB dar, da er nicht mit der Verwaltung der Grundstücke der Gebietskörperschaft befasst ist.
5. Mit der Anfechtung eines Grundsteuerwertbescheids kann die Steuerpflichtige im finanzgerichtlichen Verfahren auch eine Überprüfung der dem Bescheid zugrundeliegenden Bodenrichtwertfeststellung durch den zuständigen Gutachterausschuss erreichen. Den Gutachterausschüssen kommt bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüft werden darf. Ein Anlass zur gerichtlichen Prüfung liegt vor, wenn gerichtlich überprüfbare Beurteilungsfehler bei der Bodenrichtwertermittlung substantiiert dargelegt werden oder sonst konkrete Anhaltspunkte hierfür bestehen.
Normenkette
LGrStG BW § 13 Abs. 3, § 15 Abs. 3, §§ 27, 38 Abs. 1 Sätze 1-2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 20a, 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7, Art. 105 Abs. 2 S. 1; BauGB § 192 Abs. 3 S. 1, § 196 Abs. 1; FGO § 102; ImmoWertV § 12 Abs. 1 S. 1, § 24 Abs. 1 S. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Erlass von Grundsteuerwertbescheiden nach dem Gesetz zur Regelung einer Landesgrundsteuer (Landesgrundsteuergesetz – LGrStG –) des Landes Baden-Württemberg auf den 1. Januar 2022 verfassungsgemäß ist.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks a Straße 1 in Stadt B. Das Grundstück ist ca. … m breit und ca. … m lang, hat eine Größe von … m² und wurde im Jahr … mit einem Zweifamilienhaus bebaut. Das Grundstück befindet sich in der Bodenrichtwertzone a Straße. Der Gutachterausschuss Stadt B hat das Richtwertgrundstück für diese Zone zum 1.1.2022 beschrieben als baureifes Land (Entwicklungszustand), Wohnbaufläche (Art der Nutzung), Ein- und Zweifamilienhäuser (Ergänzung zur Art der Nutzung) und Grundstückstiefe … m sowie den Bodenrichtwert auf 510 EUR/m² beziffert (…). In seinen „Ergänzungen” führt der Gutachterausschuss Stadt B aus (…):
„Bei Angabe der Grundstückstiefe (t) ist der Bodenrichtwert (BRW) nur bis zur definierten Grundstückstiefe anzusetzen. Für die darüber hinausgehende, nicht bebaubare Mehrfläche ist, unter Berücksichtigung der Grundstückstiefe ein niedriger Bodenwert anzusetzen. Hier gilt für 2 t = 33 Prozent sowie größer 2 t = 10 Prozent.
Ist die Bebauung weitere Grundstücksteile rechtlich sichergestellt, ist auch hier vom vollen Bodenrichtwert auszugehen.”
Die Klägerin reichte am 3. August 2022 die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts beim beklagten Finanzamt C (FA) ein. Am 24. November 2022 erließ das FA den angegriffenen Grundsteuerwertbescheid, Hauptfeststellung auf den 01.01.2022, und stellte den Grundsteuerwert auf … EUR fest. Den Grun...