Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Grundsteuer B nach dem Landesgrundsteuergesetz Baden-Württemberg ist verfassungsgemäß
Leitsatz (redaktionell)
1. Mit der Anfechtung eines Grundsteuerwertbescheids kann im finanzgerichtlichen Verfahren auch eine Überprüfung der dem Bescheid zugrundeliegenden Bodenrichtwertfeststellung durch den zuständigen Gutachterausschuss erreicht werden.
2. Der Bodenrichtwert des Richtwertgrundstücks wird pauschal auf alle Grundstücke der entsprechenden Richtwertzone angewandt. Eine individuelle Anpassung des Bodenrichtwerts im Einzelfall bei Abweichungen zwischen den wertrelevanten Eigenschaften des Bodenrichtwertgrundstücks und des streitgegenständlichen Grundstücks, beispielsweise im Hinblick auf die Qualität der Wohnlage, kommt nicht in Betracht.
3. Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der Lastengleichheit, dass der Landesgesetzgeber mit § 38 LGrStG BW die Grundsteuer für das Grundvermögen als Bodenwertsteuer ausgestaltet hat und bei der Ermittlung des Grundsteuerwerts ausschließlich auf den Grund und Boden abstellt, ohne zu berücksichtigen, ob das Grundstück bebaut ist oder nicht.
4. Umweltschutzaspekte wie insbesondere die Förderung von Grünflächen im Stadtgebiet als Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel muss der Gesetzgeber auch unter der Beachtung der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG nicht in Form besonderer Lenkungsvorschriften bei der Ausgestaltung der Grundsteuer berücksichtigen.
5. Im Rahmen einer typisierenden Bewertung ist ein Wertkorridor bei Grundstückswerten von 30 % um den Verkehrswert verfassungsrechtlich noch hinnehmbar.
6. § 38 LGrStG BW verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Für eine Übermaßbesteuerung oder gar eine erdrosselnde Wirkung der Grundsteuer ist nichts ersichtlich.
7. Es verstößt nicht gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, wenn der Steuerpflichtige bei der Abgabe der Grundsteuererklärung die künftig anfallende Grundsteuer noch nicht berechnen kann und das Finanzamt den angefochtenen Grundsteuerwertbescheid ohne Vorläufigkeitsvermerk bzw. ohne Vorbehalt der Nachprüfung erlässt.
8. § 38 Abs. 1 LGrStG BW in Verbindung mit § 196 BauGB verstößt nicht gegen den Justizgewährungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG.
Normenkette
LGrStG BW § 2 Abs. 2, § 38 Abs. 1, 4; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 20a, 75 Abs. 3, Art. 105 Abs. 2; BauGB § 196 Abs. 1; ImmoWertV § 15 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Erlass von Grundsteuerwertbescheiden nach dem Gesetz zur Regelung einer Landesgrundsteuer (Landesgrundsteuergesetz – LGrStG –) des Landes Baden-Württemberg auf den 1. Januar 2022 verfassungsgemäß ist.
Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks a Straße 1 in Stadt A, das eine Fläche von … qm hat, im Jahr … mit einem Einfamilienhaus als Doppelhaushälfte zusammen mit dem Gebäude a Straße 2 bebaut wurde und in der Richtwertzone b Straße mit einem Bodenrichtwert von 1.400 EUR/qm liegt.
Die Kläger reichten am 3. Juli 2022 die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts beim beklagten Finanzamt C (FA) ein. Am 4. November 2022 erließ das FA einen Grundsteuerwertbescheid, Hauptfeststellung auf den 1. Januar 2022, stellte den Grundsteuerwert auf XXX EUR fest und rechnete ihn den Klägern jeweils hälftig zu. Die Berechnung des Grundsteuerwerts ermittelte es durch Multiplikation der Grundstücksfläche von XXX qm mit dem Bodenrichtwert von 1.400 EUR/qm. Unter demselben Datum erließ es den Grundsteuermessbescheid, Hauptveranlagung auf den 1. Januar 2025, in dem es den Steuermessbetrag auf … EUR feststellte. Den Grundsteuermessbetrag ermittelte es durch Multiplikation des Grundsteuerwerts mit der Steuermesszahl von 0,91 Promille. Am 7. Dezember 2022 erhob der Prozessbevollmächtigte für die Kläger Sprungklage beim Finanzgericht gegen den Grundsteuerwertbescheid. Die Klageschrift wurde dem FA am 14. Dezember 2022 zugestellt. Am 12. Januar 2023 stimmte das FA der Sprungklage zu.
Die Kläger tragen [zum Grundstück] ergänzend vor, (…).
Die Kläger meinen, der derzeitige Erlass von Grundsteuerwertbescheiden nach dem LGrStG zum 1. Januar 2022, ohne dass die Hebesätze der jeweiligen Kommunen bekannt seien, verletze den allgemein anerkannten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Vorhersehbarkeit der Abgabenlast als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG). Danach müsse die eine Steuerpflicht begründende Norm nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß nicht nur hinreichend bestimmt und begrenzt, sondern erst recht so konkret umrissen und festgelegt sein, dass die Steuerlast in gewissem Umfang für den Bürger voraussehbar sowie in der Größenordnung in etwa überschaubar werde. Adressat des Grundsatzes sei zunächst der Gesetzgeber. Er richte sich aber auch an die vo...