rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO: Antrag auf Rückerstattung von Kindergeld nach Ergehen eines rechtskräftigen finanzgerichtlichen Urteils, das den von der Familienkasse erlassenen Kindergeldaufhebungs- und Kindergeldrückforderungsbescheid als rechtmäßig eingestuft hat
Leitsatz (redaktionell)
1. § 37 Abs. 2 AO regelt auch Ansprüche des Steuergläubigers gegen den Empfänger einer rechtsgrundlosen Zahlung oder Rückzahlung. Der Anspruch besteht nur, wenn ein rechtlicher Grund für das Behaltendürfen fehlt oder später wegfällt. Dabei kommt es auf die sogenannte Bescheidlage an, wonach ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung selbst dann besteht, wenn der die Leistungspflicht konkretisierende Verwaltungsakt zwar materiell unrichtig sein sollte, aber nicht mehr geändert werden kann.
2. Wurde ein Kindergeldaufhebungs- bzw. Kindergeldrückforderungsbescheid der Familienkasse rechtskräftig finanzgerichtlich bestätigt und beantragt der Steuerpflichtige anschließend erneut die Auszahlung des von ihm zurückgezahlten Kindergelds, so ist die Ablehnung dieses Antrags durch die Familienkasse auch dann als Abrechnungsbescheid im Sinne von § 218 Abs. 2 Satz 2 AO zu bewerten, wenn das Schreiben von der Familienkasse nicht als Abrechnungsbescheid bezeichnet worden ist. Der Aufhebungs- bzw. Rückforderungsbescheid stellt den Rechtsgrund im Sinne des § 37 Abs. 2 AO dafür dar, dass die Familienkasse das von dem Kläger zurückgeforderte Kindergeld behalten darf.
3. Soweit sich in dem zu dem Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid ergangenen FG-Urteil Ausführungen zum Begriff der öffentlichen Urkunde im Sinne von § 348 StGB (Falschbeurkundung im Amt) finden, sind diese für die Rechtswirkungen des Steuerschuldverhältnisses im Sinne des § 37 Abs. 2 AO ohne Relevanz. Die Beweiswirkung eines Verwaltungsaktes (im strafrechtlichen Sinne) ist von dessen Regelungswirkung (im steuerverfahrensrechtlichen Sinne) zu unterscheiden.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2 S. 1, § 218 Abs. 1, 2 Sätze 1-2; EStG § 31 S. 3; FGO § 110
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger –nach rechtskräftiger Aufhebung eines Kindergeldbescheides– Kindergeld i.S. von § 37 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ohne rechtlichen Grund an die Beklagte gezahlt hat und ob deshalb ein Erstattungsanspruch besteht.
1. Der Kläger bezog Kindergeld für das Kind T, geboren am xx.xx. 1994 (nachfolgend: Kind). Nachdem der Fortgang des Studiums des Kindes nicht nachgewiesen wurde, hob der Beklagte zunächst die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 6. Februar 2017 ab März 2017 auf (KiG-Akte, Bl. 39 f.). Der Kläger wurde zudem aufgefordert, seinen Anspruch auf Kindergeld für das Kind von August 2012 bis Februar 2017 nachzuweisen. Er wurde zu einer möglichen Überzahlung des Kindergeldes von August 2012 bis Februar 2017 in Höhe von 10.256 Euro angehört (KiG-Akte, Bl. 41 f.).
Hierauf reagierte der Kläger nicht. Sodann wurde die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 21. April 2017 ab August 2012 aufgehoben und Kindergeld von August 2012 bis Februar 2017 in Höhe von 10.256 Euro zurückgefordert (nachfolgend: Bescheid; KiG-Akte, Bl. 45 ff.).
Nachdem das Hauptzollamt (HZA) […] mit Schreiben vom 21. August 2017 die Vollstreckung ankündigte, zahlte der Kläger (KiG-Akte, Bl. 161).
2. Ein am 21. September 2017 bei der Beklagten eingegangener Einspruch (KiG-Akte, Bl. 57) wurde mit Einspruchsentscheidung vom 3. November 2017 als unzulässig verworfen, weil der Einspruch nicht fristgerecht erhoben worden und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren sei (KiG-Akte, Bl. 94 ff.).
3. Die daraufhin beim Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg erhobene Klage wurde mit Urteil vom 10. Juli 2018 8 K 2983/17 (juris) abgewiesen (nachfolgend: FG-Urteil). Dabei führte der erkennende 8. Senat des FG unter Abschnitt II.1.b. u.a. Folgendes aus:
„Nach § 417 der Zivilprozessordnung (ZPO) erstreckt sich die Beweiskraft eines Verwaltungsakts (hier: des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides) lediglich darauf, dass die Entscheidung erlassen wurde und nicht auf die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung bzw. ihrer Begründung. Die Beweiswirkung eines Verwaltungsakts erstreckt sich demnach weder auf die Motive für die Entscheidung noch auf deren inhaltliche Richtigkeit im Tenor, in der Beurteilung rechtlicher Vorfragen oder in der Feststellung von Tatsachen noch auf die sachliche Richtigkeit der darin beschriebenen Umstände … (bei juris-Rn. 32).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze stellen die Benennung der Rechtsgrundlage (§ 70 Abs. 2 EStG) und die -der Aktenlage am 21. April 2017 entsprechenden- Ausführungen zur Begründung des Bescheids keine Angaben dar, die in dem Bescheid mit besonderer Beweiskraft im Sinne des § 348 Abs. 1 StGB beurkundet werden.” (bei juris-Rn 33)
Die gegen das Urteil vom 10. Juli 2018 8 K 2983/17 (juris) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) mit ...