Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung einer Vergleichssumme durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer nach Streit über den Zeitpunkt der Kündigung des Vertragsverhältnisses über Reinigungsleistungen als Entgelt für eine umsatzsteuerbare Leistung
Leitsatz (redaktionell)
Ist der Zeitpunkt, zu dem die Kündigung eines Vertrags über die dauerhafte Ausführung von Reinigungsleistungen wirksam wird, streitig, hat der Auftraggeber ab dem von ihm für zutreffend erachteten Kündigungszeitpunkt bereits ein anderes Unternehmen beauftragt, will das Reinigungsunternehmen aber nach wie vor seine Leistungen bis zu dem seiner Auffassung zutreffenden späteren Kündigungszeitpunkt erbringen und einigen sich die Vertragsparteien anschließend auf einen Vergleich, wonach das Reinigungsunternehmen darauf verzichtet, vor Gericht die volle Vergütung bis zu dem seiner Auffassung nach zutreffenden Kündigungszeitpunkt einzufordern, und dafür eine Vergleichszahlung vom (bisherigen) Auftraggeber erhält, so stellt diese Vergleichszahlung für das Reinigungsunternehmen keinen nicht steuerbaren Schadensersatz, sondern ein umsatzsteuerbares Entgelt dar.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 3 Abs. 9, § 10 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Zahlung einer Vergleichssumme durch den Auftraggeber an den Auftragnehmer nach Streit über den Zeitpunkt der Kündigung des Vertragsverhältnisses Entgelt für eine steuerbare Leistung oder nicht steuerbaren Schadensersatz darstellt.
1. Die Klägerin, eine GmbH, ist die Organträgerin der A GmbH. Zweck der A GmbH ist die (…). Sie ist zur Abgabe von monatlichen Voranmeldungen verpflichtet und versteuert ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten.
2. Die A GmbH hatte teils vor Jahrzehnten Verträge mit dem Eigenbetrieb X des Kreis XY über die Reinigung öffentlicher Gebäude geschlossen. Der Kreis XY kündigte mit Schreiben vom 26.11.2014 die Reinigungsverträge aufgrund europaweiter Neuausschreibung zum 31.03.2015. Er berief sich auf eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende (Schreiben vom 05.12.2014).
Die A GmbH hielt mit Schreiben vom 27. und 28.11.2014 die Kündigung erst zum 31.12.2015 für gültig, weil aufgrund von mündlichen Absprachen mit den verantwortlichen Personen des Kreis XY eine jeweilige Verlängerung der Verträge um ein Kalenderjahr vereinbart worden sei.
Die A GmbH bot dem Kreis XY entsprechend ihrer Rechtsauffassung mit Schreiben vom 29.01.2015 die Reinigungsleistungen von April bis Dezember 2015 an, was der Kreis XY mit Schreiben vom 16.02.2015 ablehnte. Außerdem erteilte die A GmbH dem Kreis XY ab April 2015 Rechnungen über die ursprünglich vereinbarte Vergütung zzgl. Umsatzsteuer, wie sie bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Reinigungsverträge entstanden wäre. Der Kreis XY wies die Rechnungen zurück (u.a. für April 2015 mit Schreiben vom 18.06.2015).
Der Kreis XY beauftragte zum 01.04.2015 ein anderes Unternehmen mit der Reinigung. Die A GmbH gab die Schlüssel für die betroffenen Objekte am 31.03.2015 zurück und führte danach dort keine Leistungen mehr aus.
Mit Anwaltsschreiben vom 18.03.2016 an den Kreis XY machte die A GmbH unter Hinweis auf einen Annahmeverzug des Kreis XY die ursprünglich vereinbarte Vergütung von XXX EUR zzgl. Umsatzsteuer (zusammen XXX EUR) geltend. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 08.12.2017 an den Kreis XY kündigte die A GmbH eine Klage vor dem Zivilgericht über die angebotenen, aber nicht abgenommenen Reinigungsleistungen über zusammen XXX EUR einschließlich Umsatzsteuer, hilfsweise über entgangenen Gewinn von XXX EUR an. In dem angestrebten Zivilrechtsstreit sollten auch Mitarbeiter des Kreis XY zur Frage der Kündigungsfrist als Zeugen vernommen werden.
Die A GmbH und der Kreis XY trafen am 27.04.2018 die folgende Vergleichsvereinbarung über die Zahlung von XXX EUR:
„Präambel Zwischen A GmbH und Eigenbetrieb X (Anmerkung des Gerichts: Kreis XY Eigenbetrieb X) … bestanden über Jahrzehnte hinweg umfangreiche und vielfältige Vertragsbeziehungen. Diese wurden von Eigenbetrieb X zum 31.03.2015 gekündigt. Ein Leistungsaustausch fand nach dem 31.03.2015 in den gekündigten Vertragsverhältnissen nicht mehr statt. Die Parteien streiten unter anderem über die Rechtmäßigkeit der Kündigungen durch Eigenbetrieb X. … Aus und im Zusammenhang mit den … früheren Vertragsbeziehungen macht A GmbH gegenüber Eigenbetrieb X Ansprüche geltend, deren Bestehen und/oder Höhe von den Parteien unterschiedlich bewertet wird. In dem Willen, diese Ansprüche insgesamt zu erledigen und die Voraussetzungen für einen zukünftigen professionellen Umgang miteinander zu schaffen, vereinbaren die Parteien was folgt: 1. Zahlung 1.1 Eigenbetrieb X zahlt an A GmbH einen Betrag in Höhe von XXX EUR … Die Parteien gehen davon aus, dass die Vergleichszahlung nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Sollte die Vergleichszahlung entgegen der Auffassung der Beteiligten umsatzsteuerbar sein, handelt es sich b... |