Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbots nach § 3c Abs. 2 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Zinsaufwendungen für den Erwerb eines GmbH-Anteils stehen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 40 d EStG zur Hälfte steuerfreien Einnahmen, so dass nach § 3c Abs. 2 EStG nur ein hälftiger Werbungskostenabzug in Betracht kommt.
2. Das Abzugsverbot nach § 3c Abs. 2 EStG setzt nicht die tatsächliche Vornahme einer Gewinnausschüttung voraus.
3. § 3c Abs. 2 EStG verstösst nicht gegen das Verfassungsgebot der Folgerichtigkeit bzw. gegen die vom Einkommensteuergesetz statuierte Sachgesetzlichkeit.
4. Die Abzugsbeschränkung im Halbeinkünfteverfahren verstöß nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da die Verfassung den Gesetzgeber nicht zu einer Gesamtschau von körperschaftsteuerlicher und einkommensteuerlicher Belastung verpflichtet.
5. Das Grundgesetz hat die Körperschaftsteuer in ihrer klassischen Form der Doppelbelastung vorgefunden und über Jahrzehnte nicht in Frage gestellt.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung weiterer Werbungskosten im Streitjahr 2002.
Der Kläger ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma …-SteuerungsTechnik GmbH in …. Mit notariellem Vertrag vom 07.12.2001 erwarb er 1/3 der Gesellschaftsanteile. Der Erwerb wurde fremdfinanziert; die Darlehenszinsen betragen im Streitjahr 52.103,– EUR.
Der Beklagte erließ am 18.09.2003 den Einkommensteuerbescheid 2002. Unter Hinweis auf die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 c Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 EStG) ließ er lediglich den hälftigen Betrag (26.052,– EUR) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zum Abzug zu.
Hiergegen legte der Kläger am 13.10.2003 mit der Begründung Einspruch ein, die Abzugsbeschränkung des § 3c Abs. 2 EStG sei steuersystematisch nicht gerechtfertigt, weshalb im Schrifttum erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestünden.
Der Beklagte wies mit Einspruchsentscheidung vom 28.10.2003 den Einspruch des Klägers unter Hinweis darauf ab, die Voraussetzungen des § 3 c Abs. 2 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40 EStG seien vorliegend erfüllt.
Der Kläger hat am 26.11.2003 Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg erhoben. Er beantragt,
- den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 18.09.2003 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 28.10.2003 insoweit abzuändern, als bei den Einkünften aus Kapitalvermögen weitere Werbungskosten i.H.v. 26.052,– EUR berücksichtigt werden;
- hilfsweise, die Revision zuzulassen
Zur Begründung wird vorgetragen, die Dividendeneinkünfte natürlicher Personen sollten ausweislich der Gesetzesbegründung typisierend einer Normalbelastung – sprich: einer ähnlichen Belastung wie der anderer Einkunftsarten – unterworfen werden. Der Gesetzgeber habe sich dabei des § 3 Nr. 40 EStG bedient, welcher jedoch keine Steuerbefreiung im herkömmlichen Sinne darstelle, sondern ein steuertechnisches Instrument zur Herstellung eben dieser gewünschten Belastungswirkung. Daher dürfe die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 40 EStG nicht gesondert betrachtet werden, sondern sei im Kontext mit der steuerlichen Vorbelastung auf Ebene der Kapitalgesellschaft zu sehen. Bei dieser Betrachtungsweise werde klar, dass das Halbabzugsverbot von Aufwendungen eindeutig systemwidrig sei und sowohl gegen das objektive Nettoprinzip wie auch gegen das Leistungsfähigkeitsgebot verstoße. Der Gesetzesbegründung folgend müsse daher auch der mit der Dividende zusammenhängende Aufwand zwingend steuerliche Relevanz besitzen, insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber selbst den Vorbelastungscharakter der Körperschaftsteuer anerkenne.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung.
Die Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten liegen dem Gericht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf sie und die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichteten (§ 90 Abs. 2 FGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteuerbescheid 2002 vom 18.09.2003 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 28.10.2003 sind rechtmäßig; sie verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz FGO).
Die vom Kläger im Streitjahr aufgewendeten Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen unterliegen dem Abzugsverbot gemäß § 3c Abs. 2 EStG und sind daher vom Beklagten zu Recht nur in Höhe von 50% berücksichtigt worden.
Nachdem durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 (BStBI 1 S. 1428) eingefügten § 3c Abs. 2 EStG dürfen Werbungskosten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Einnahmen stehen, die nach § 3 Nr. 40 EStG zur Hälfte von der Einkommensteuer befreit sind, bei der Ermittlung der Einkünfte unabhängig davon, in w...