rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesellschafterdarlehen bei Gründung der GmbH als eigenkapitalersetzender „Finanzplankredit”. Erbin als Beteiligte bei Tod der Kläger und Einsetzung eines Testamentsvollstreckers. Konkludente Stellung des Antrags nach § 68 FGO a. F.. Einkommensteuer 1996

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erhält eine soeben gegründete, mit einem Stammkapital von 50000 DM ausgestattete GmbH, die einen mit erheblichen Risiken verbundenen Handel mit neuartigen, am Markt nicht eingeführten Waren eröffnen will, ein Gesellschafterdarlehen über 450000 DM, so handelt es sich um einen –bei einem späteren Ausfall in Höhe des Nennbetrags zu nachträglichen Anschaffungskosten des Gesellschafters auf seine GmbH-Anteile führenden– „Finanzplankredit”, wenn die GmbH zur Aufnahme ihres Betriebs auf Mittel in dieser Höhe angewiesen ist, sie von fremden Dritten angesichts des Risikos und fehlender Sicherheiten keinen Kredit erhalten hätte und das Darlehen zudem unüblich niedrig verzinst ist. Dass diese eigenkapitalersetzende Finanzierung nicht im Gesellschaftsvertrag geregelt ist und der Darlehensvertrag nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde, steht dem nicht entgegen.

2. Die Erbin der während des Klageverfahrens wegen Einkommensteuer verstorbenen Kläger ist auch dann Beteiligte des Klageverfahrens, wenn ein Testamentsvollstrecker eingesetzt ist.

3. Der Antrag nach § 68 FGO a. F. konnte auch konkludent gestellt werden.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1-2, 4; AO 1977 § 45; FGO §§ 57, 68

 

Tenor

1. Der Bescheid über die Einkommensteuer 1996 vom 31. Mai 2000 wird dahin geändert, dass der Auflösungsverlust gemäß § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) um 450.000 DM = 230.081,35 EUR erhöht wird. Die Änderung der Festsetzung wird dem Beklagten übertragen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, falls die Klägerin nicht ihrerseits Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob sich durch den Verlust eines Darlehens die Anschaffungskosten der Beteiligung erhöhten.

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin ihrer im Jahr 2000 verstorbenen Eltern, die vom beklagten Finanzamt (FA) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wurde durch gemeinschaftliches Testament zum Testamentsvollstrecker der Eltern bestellt.

Durch notariellen Vertrag vom 13. November 1995 gründete der Vater der Klägerin mit (im folgenden GmbH) mit Sitz in. Gegenstand des Unternehmens war der Handel mit Computerzubehör, Hard- und Software, TV-Zubehör sowie Funktelefonzubehör. Am bar zu erbringenden Stammkapital der Gesellschaft von 50.000 DM war der Vater der Klägerin mit 20.000 DM beteiligt. Zum allein vertretungsberechtigten Gesellschaftergeschäftsführer wurde der Gesellschafter bestellt. Durch weiteren Vertrag vom 18. Oktober 1995 gewährte der Vater der Klägerin der GmbH ein Darlehen i.H.v. 450.000 DM mit einer Laufzeit von einem Jahr sowie einer Verzinsung von 7 v. H. jährlich. Das Darlehen war in zwei Jahresraten von jeweils 250.000 DM zurückzuzahlen, beginnend erstmals am 30. Juni 1997. Die Restbeträge waren mit 8 v. H. jährlich zu verzinsen. Für das Darlehen haftete die GmbH mit ihrem Stammkapital sowie durch Abtretung von 50 v. H. ihres Rohgewinns. Zur Refinanzierung schloss der Vater der Klägerin am 9. Oktober 1995 mit der Volksbank Müllheim einen Darlehensvertrag über ebenfalls 450.000 DM ab. Das mit dem Verwendungszweck „Kapitaleinlage für GmbH-Gründung” aufgenommene Darlehen war mit jährlich 5,9 v.H. zu verzinsen mit einer Zinsfestschreibung bis 30. Oktober 1996. Das an diesem Datum zurückzuzahlende Darlehen war durch eine Grundschuld am Wohnhaus des Vaters der Klägerin in Buggingen gesichert. Die Darlehensmittel wurden von der GmbH ausschließlich für den Erwerb von Computerzubehör verwendet, welches sich nach ungünstiger Beurteilung in Fachzeitschriften als unverkäuflich erwies.

Die GmbH begann mit ihrer Eintragung ins Handelsregister am 20. Dezember 1995 und endete nach Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen durch deren Löschung im Handelsregister am 28. Oktober 1998 wegen Vermögenslosigkeit. Nachdem die GmbH für die Jahre 1995 und 1996 keine Steuererklärungen abgegeben hatte, wurde sie mit einem zu versteuernden Einkommen von jeweils 0 DM zur Körperschaftsteuer veranlagt.

Der Vater der Klägerin machte in der Einkommensteuererklärung 1996 einen Aufgabeverlust gemäß § 17 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) i.H.v. 472.523,50 DM geltend. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Stammeinlage

20.000,00 DM

Darlehensschuld

450.000,00 DM

Mahnkosten

177,50 DM

In dem gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 4. Februar 1998 wurde der Auflösungsverlust antragsgemäß berücksichtigt.

Im Anschluss an eine beim Vater der Klägerin d...

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