Entscheidungsstichwort (Thema)
Formerfordernisse bei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen. kein Unterschriftserfordernis bei Automatisierung. Fortsetzungsfeststellungsklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat sich die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung erledigt, hat der Drittschuldner unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Feststellung deren Rechtswidrigkeit, wenn sich seine Einwendungen gegen die Form der Verfügung richteten und die beklagte Behörde Pfändungs- und Einziehungsverfügungen auch weiterhin in der beanstandeten Form erlässt.
2. Konnte vor der Erledigung des streitbefangenen Verwaltungsakts dessen Aufhebung nicht beansprucht werden, dann kann nach dessen Erledigung auch keine Feststellung der Rechtswidrigkeit begehrt werden.
3. Eine mit Hilfe automatisierter Einrichtungen erlassene Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist ohne Unterschrift eines Amtsträgers der erlassenden Behörde gültig.
Normenkette
AO § 309 Abs. 1, §§ 324, 119 Abs. 3, § 127; FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung im Sinne der §§ 309 und 314 der Abgabenordnung (AO) für ihre Wirksamkeit der handschriftlichen Unterzeichnung durch einen Amtsträger bedarf.
Die Klägerin ist ein Kreditinstitut, dem als Drittschuldner in den letzten Jahren jeweils über 1.000 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen von Finanzbehörden zugestellt worden sind. Seitens des beklagten Hauptzollamts (HZA) geschah dies in den Jahren 2017 und 2018 jeweils mehr als hundertmal. Zu den Kunden der Klägerin gehörte auch die A GmbH; diese Bankverbindung ist zwischenzeitlich beendet.
Im Jahr 2017 führte das HZA aufgrund entsprechender Vollstreckungsaufträge die Vollstreckung von Beitragsforderungen der Krankenkasse (Gläubigerin) gegen die A GmbH (Schuldnerin) durch. In diesem Zusammenhang erzeugte die Behörde zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen über das IT-Verfahren „Elektronisches Vollstreckungssystem (eVS)”, druckte diese über eine zentrale Druckstraße aus und veranlasste die förmliche Zustellung dieser mit dem Datum des 10. August 2017 und den Az. xxx sowie yyy versehenen Verfügungen (vgl. dazu Bl. 17-22 der FG-Akte) an die Klägerin. Mit diesen beiden Verfügungen pfändete das HZA wegen Beitragsschulden der Schuldnerin in Höhe von xx,xx EUR bzw. xx,xx EUR deren Ansprüche gegen die Klägerin auf Zahlung der zu ihren – der Schuldnerin – Gunsten bestehenden Guthaben nach näherer Maßgabe des Inhalts dieser Verfügungen und ordnete die Einziehung der gepfändeten Forderungen bis zur Höhe des in der jeweiligen Verfügung bezifferten Gesamtbetrages an. Die Verfügungen enthalten an die Klägerin gerichtet jeweils (auf den Seiten 2 unten und 3 oben)
- • das Verbot, an den Schuldner zu leisten oder bei einer Verfügung über dessen Ansprüche mitzuwirken, sowie
- • die Aufforderung, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung der Verfügung eine Drittschuldnererklärung abzugeben und sich dabei zu vier gestellten Fragen zu erklären.
Die der Klägerin ausweislich der beiden Zustellungsurkunden (HZA-Akte Bl. 55 und 71) am 12. August 2017 durch Einlegung in den zu deren Geschäftsräumen gehörenden Briefkasten zugestellten Ausfertigungen der beiden Verfügungen (als Anlagen K 1 der Klage- und Antragsschrift vom 14. November 2017 beigefügt) enthalten im Briefkopf jeweils den Namen und die Anschrift des HZA, den Namen des Bearbeiters, jedoch weder eine Unterschrift noch ein Dienstsiegel; auch eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten diese Ausfertigungen nicht. Sie schließen jeweils mit dem Satz „Dieses Schriftstück ist ohne Unterschrift und ohne Namensangabe gültig”.
Nachdem die Klägerin dem HZA mit Schreiben vom 21. August 2017 mitgeteilt hatte, dass sie die Verfügungen zwar erhalten habe, sie aber nicht beachten werde, weil sie weder unterzeichnet noch mit einem Siegel versehen seien, legte sie hiergegen mit weiterem Schreiben vom 12. September 2017 (beim HZA eingegangen am 14. September 2017) Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV).
Das HZA wies mit einheitlicher Entscheidung vom 17. Oktober 2017 zum einen den Einspruch gegen die beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 10. August 2017 zurück und lehnte zum anderen den hierauf bezogenen Antrag auf AdV ab.
Mit am 15. November 2017 eingegangenem Schreiben vom Vortag erhob die Klägerin gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung Klage und beantragte zugleich deren AdV.
Der erkennende Senat hat den Antrag auf AdV durch Beschluss vom 14. Februar 2018 – 11 V 2922/17 abgelehnt. Im Verlauf des hiergegen von der Klägerin eingeleiteten Beschwerdeverfahrens beendeten diese und die Schuldnerin ihre Geschäftsbeziehung. Damit konnten die beiden streitgegenständlich gewesenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen keine Wirkungen mehr entfalten, woraufhin die Beteilig...