Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung einer verdeckt eingelegten wesentlichen Beteiligung mit den ursprünglichen Anschaffungskosten der Anteile; Berichtigung von Rechtsfehlern nach § 177 AO 1977
Leitsatz (redaktionell)
1. Ermittlung des Veräußerungsgewinns einer wesentlichen Beteiligung an einer GmbH in 1989 - also vor der Neuregelung in § 17 Abs.1 Satz 2 EStG durch das StÄndG 1992 -, in die unmittelbar davor eine andere wesentliche Beteiligung verdeckt eingelegt wurde: Die nachträglichen Anschaffungskosten infolge der verdeckten Einlage sind höchstens mit den urspünglichen Anschaffungskosten (dem Nennwert) der eingelegten GmbH-Anteile nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG anzusetzen.
2. Im Rahmen des § 177 Abs. 2 AO 1977 können Rechtsfehler, die bisher wegen Festsetzungsverjährung nicht berücksichtigt werden konnten, saldiert werden.
Normenkette
EStG 1987 § 17 Abs. 2 S. 2; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Buchst. b; EStG 1987 § 17 Abs. 1; AO 1977 § 177 Abs. 2, § 169
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin war alleinvertretungsberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführerin der Firma … GmbH, … Gegenstand des Unternehmens war die Herstellung und der Handel mit Teigwaren und Nahrungsmitteln aller Art sowie mit Gegenständen des täglichen Bedarf, insbesondere unter der Bezeichnung „…” Das Stammkapital der Gesellschaft betrug insgesamt 2.025.000,– DM. Hieran war die Klägerin mit Geschäftsanteilen von insgesamt 1.240.500,– DM beteiligt; ihr Sohn … hielt Anteile von insgesamt 344.500,– DM; die restlichen Anteile von 440.000,– DM waren stimmrechtslose und nicht dividendenberechtigte eigene Anteile der GmbH.
Mit notarieller Urkunde vom 04. Dezember 1989 (Bl. 60 ff der Rechtsbehelfsakten) gründeten die Klägerin und ihr Sohn (dieser treuhänderisch handelnd für die Klägerin gemäß privatschriftlicher Treuhandvereinbarung vom 04. Dezember 1989) die Firma L. GmbH, … (im folgenden: L.-GmbH), mit Stammkapital von 50.000,– DM, von dem die Klägerin 49.000,– DM, ihr Sohn 1.000,– DM übernahmen. Bei der Gründung war die Hälfte der Einlagen (= 25.000,– DM) bar einzuzahlen (§ 3 des Gesellschaftsvertrages). Gegenstand des Unternehmens ist die Beratung von Firmen bei der Herstellung und dem Vertrieb von Lebensmitteln aller Art. Die Gesellschaft kann Unternehmen der Lebensmittelbranche gründen oder sich an solchen beteiligen, auch ihre Geschäftsführung übernehmen und Beteiligungen an ihnen für fremde Rechnung verwalten (§ 2 des Gesellschaftsvertrages). Alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin war die Klägerin. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 13. Dezember 1989.
Mit notarieller Urkunde vom 27. Dezember 1989 teilte die Klägerin einen ihrer Geschäftsanteile an der … GmbH im Nennwert von 418.000,– DM mit Genehmigung der GmbH in zwei Geschäftsanteile mit Nennwert von 364.700,– DM und 53.300,– DM und trat den Anteil von 364.700,– DM sowie weitere Anteile mit Nennwert von insgesamt 822.500,– DM unentgeltlich an die L.-GmbH ab (Abtretung insgesamt über 1.187.200,– DM = 74,9 v. H. der stimm- und dividendenberechtigten Anteile an der … GmbH. Nach der Urkunde vom 27. Dezember 1989 beträgt der Gegenwert der abgetretenen Geschäftsanteile 88 Mio DM und wird bei der L.-GmbH in eine Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches (HGB) eingestellt (Einbringung zu Gunsten der Kapitalrücklage als verdeckte Einlage; zu den Einzelheiten vgl. Bl. 21 bis 25 der Einkommensteuerakten = Bl. 70 ff der Rechtsbehelfsakten). Ebenfalls mit notarieller Urkunde vom 27. Dezember 1989 unterbreiteten die Klägerin und ihr Sohn (treuhänderisch handelnd für seine Mutter) der … Aktiengesellschaft, … (im folgend en: … AG) das Angebot, den Geschäftsanteil der Klägerin an der L.-GmbH im Nennwert von 49.000,– DM zum Kaufpreis von 88.200.000,– DM sowie den Geschäftsanteil des Sohnes der Klägerin an der L.-GmbH im Nennbetrag von 1.000,– DM zum Kaufpreis von 1.800.000,– DM zu erwerben. Dieses Angebot wurde von der … AG mit entsprechender notarieller Urkunde noch am selben Tag angenommen. Zu den Einzelheiten vgl. Bl. 14 bis 20 der Einkommensteuerakten = Bl. 73 ff der Rechtsbehelfsakten). Sämtliche am 27. Dezember 1989 beurkundeten Willenserklärungen wurden durch Rechtsanwalt Dr. … als Vertreter sämtlicher Beteiligter vor dem Notar Dr. …, … abgegeben. Die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von insgesamt 90 Mio DM erfolgte am 10. Januar 1990.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1989 gab die Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 300.715,28 DM an (§ 17 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 1989 geltenden Fassung –EStG–). Für die Berechnung wird auf die Anlage zur Einkommensteuererklärung (S. 2, Bl. 11 der Einkommensteuerakten) Bezug genommen. Sie berief sich dabei auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Juli 1988 I R 147/83 (BStBl II 1989, 271), nach dem eine verdeckte Einlage mangels Entgelts keine Veräußerung i. S. des § 17 Abs. 1 EStG ist. Der B...