Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer: kein ermäßigter Steuersatz für sogenannte Milchersatzprodukte pflanzlichen Ursprungs

 

Leitsatz (redaktionell)

„Milchersatzprodukte” pflanzlichen Ursprungs (im Streitfall: aus Soja, Reis oder Hafer hergestellte Getränke bzw. vegane Milchalternativen) sind keine Milch oder Milchmischgetränke im Sinne von Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG und unterliegen daher dem Regelsteuersatz.

 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 2 Anlage 2 Nrn. 4, 31, 33, 35

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Lieferung von sog. Milchersatzprodukten dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. Nr. 4, 31, 33, 35 der Anlage 2 unterliegt.

Die Klägerin ist eine – mit Gesellschaftsvertrag vom XX.XX.XXXX errichtete – Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die im Handelsregister des Amtsgerichts C (Nr. HRX XXX) eingetragen ist. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin sind

– […].

Die Klägerin liefert –auch– Milchersatzprodukte bzw. Getränke mit mindestens 75% Anteil an Milchersatz zum Verzehr außer Haus. Sie ist der Ansicht, auf diese Umsätze sei der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7% anzuwenden. Hierzu trägt sie vor, im 2. Kalendervierteljahr 2023 würde sich die Umsatzsteuer auf diese Lieferungen mit XXX EUR wie folgt errechnen:

einschließlich der Umsatzsteuer

XXX EUR

abzüglich der Umsatzsteuer

XXX EUR

(streitige) Umsatzsteuer

XXX EUR

Am 09.09.2023 hatte die Klägerin die Voranmeldung für das 2. Kalendervierteljahr 2023 – ausgehend von der Rechtsansicht des Beklagten (Finanzamt – FA) – allerdings mit folgenden Angaben übermittelt:

Bemessungsgrundlage

Steuer

Umsatz

– zu 19 %

XXX EUR

XXX EUR

– zu 7 %

XXX EUR

XXX EUR

innergemeinschaftlichen Lieferungen

XXX EUR

nicht steuerbare Umsätze

XXX EUR

Zwischensumme

XXX EUR

Vorsteuer

XXX EUR

XXX EUR

Das FA stimmte mit Bescheid vom 27.09.2023 zu, allerdings mit folgendem Hinweis:

„Der Bescheid ist nach § 164 Abs. 2 AO geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung bleibt bestehen.”

Den Einspruch gegen den Bescheid vom 27.09.2023 wies das FA als unbegründet zurück. Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 12.01.2024 führte das FA hierzu Folgendes aus:

„Milchersatzprodukte sind aus z.B. Soja, Reis oder Hafer gewonnene Flüssigkeiten, die im allgemeinen Handel erhältlich sind und beispielsweise von Menschen, die an einer Lactose-Überempfindlichkeit oder Kuhmilcheiweißallergie leiden, oder sich vegan ernähren, verwendet werden.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer auf 7 % u. a. für Lieferungen der in der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG bezeichneten Gegenstände. In Anlage 2 wird auf den gemeinsamen Zolltarif (GZT) der EG verwiesen. Dem GZT liegt wiederum die Kombinierte Nomenklatur (KN) des Harmonisierten Systems (HS) zur Bezeichnung und Codierung der Waren zugrunde (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 V R 63/99, BFH/NV 2001, 348, HFR 2001, 367). Dazu gibt es Erläuterungen, die für das HS vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens – Weltzollorganisation – sowie für die KN von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden und ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Positionen darstellen (vgl. EuGH-Urteil vom 7. Oktober 2004 Rs. C-379/02, Imexpo Trading A/S, BFH/NV 2005, Beilage 1, 30, HFR 2005, 75, Randnr.16; BFH-Urteil vom 3. Februar 2004 VII R 33/03, BFH/NV 2004, 849, HFR 2004, 563,unterII.2.a, jeweils m.w.N.).

Für die streitgegenständlichen Waren könnten die nachfolgenden Kategorien der Anlage 2 in Betracht kommen:

Lfd.-Nr.

Warenbezeichnung

Zolltarif (Kapitel, Position, Unterposition)

4

Milch und Milcherzeugnisse; …

aus Kap. 4

31

Zubereitungen aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch; …

Kap. 19

33

Verschiedene Lebensmittelzubereitungen Milchmischgetränke mit einem Anteil an Milch oder

Kap. 21

35

Milcherzeugnissen (z. B. Molke) von mindestens 75 % des Fertigerzeugnisses

aus Pos. 2202

Die Lieferung von anderen Getränken als Milch, Milchmischgetränken und reinem Wasser sind stets mit dem allgemeinen Steuersatz zu besteuern (BFH-Urteil vom 5. November 1998 V R 20/98, BFHE 187, 340, BStBI II 1999, 326, HFR 1999, 286).

Bei der Auslegung der Nrn. 4 und 35 der Anlage zum UStG ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei (‚aus Kapitel 4’ oder ‚aus Position 2002’) um sog. Expositionen handelt, die nicht vollumfänglich auf eine Position der KN Bezug nehmen. In Expositionen verwendete Rechtsbegriffe sind grundsätzlich umsatzsteuerrechtlich auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 V R 88/97, BFH/NV 1999, 1252, HFR 1999, 665). Diesgilt allerdings nur, soweit eine Exposition eigenständige Begriffe verwendet, die zolltariflich ohne Belang sind (vgl. BFH-Urteil vom 14. Januar 1997 VII R 47/96, BFHE 182, 466, BStBI II 1997, 481, HFR 1997, 564). Verwendet die Exposition hingegen Begriffe der KN, sind diese nach den Regeln der KN auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1990 VI...

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