Entscheidungsstichwort (Thema)
Grobes Verschulden des Steuerpflichtigen bei Nichtberücksichtigung eines wertmindernden Umstands durch den vom ihm beauftragten Grundstücks-Sachverständigen. Einkommensteuer 1995
Leitsatz (redaktionell)
1. War bei der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns der Wert eines Betriebsgrundstücks streitig und hat der vom Steuerpflichtigen beauftragte Gutachter, ein öffentlich-bestellter und vereidigter Sachverständiger, bei der Wertermittlung in dem ihm vorliegenden Grundbuchauszug eine wertmindernde Tatsache (hier: Eintragung eines bedingten Rückübertragungsanspruchs an eine Stadt in Abteilung II des Grundbuchs) nicht berücksichtigt, so hat er grob fahrlässig gehandelt.
2. Diese grobe Fahrlässigkeit ist dem Steuerpflichtigen in entsprechender Anwendung von § 278 BGB mit der Folge zuzurechnen, so dass der bestandskräftig gewordene Einkommensteuerbescheid, in dem der Betriebsaufgabegewinn einschließlich der stillen Reserven des Grundstücks, ohne Berücksichtigung des wertmindernden Umstands, angesetzt worden ist, aufgrund groben Verschuldens nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden kann.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 16 Abs. 3; AO § 90; BGB § 278
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Einkommensteuerfestsetzung 1995 wegen neuer Tatsachen zu ändern ist.
Die Kläger sind Ehegatten, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind.
Der Kläger zu 1) hat mit Kaufvertrag vom 5. Juli 1982 (Blatt 3 der Einheitswertakte) von der Stadt C. ein 3680 qm großes Grundstück zum Preis von 97.402 DM erworben und dieses mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Die betrieblichen Räume nutzte er zunächst im Rahmen eines Einzelunternehmens. Ab dem 1. Januar 1999 vermietete der Kläger zu 1) die gewerblichen Räumlichkeiten an eine Basteltechnik GmbH (im Folgenden GmbH), deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer er war, und begründete damit – unstreitig – eine Betriebsaufspaltung. Am 30. September 1995 wurde dieses Mietverhältnis und damit auch die Betriebsaufspaltung beendet.
Bereits am 7. Juli 1995 hatte der Kläger zu 1) einen öffentlich-bestellten und vereidigten Sachverständigen (Architekt) beauftragt, ein Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks zum 1. Oktober 1995 zu erstellen. Das Gutachten sollte als Entscheidungshilfe bei der Bewertung des Grundstücks dienen (Blatt 42 der Vertragsakte). Im Gutachten vom 6. Februar 1996 (Blatt 41 der Vertragsakte) führte der Sachverständige aus, dass ihm zur Bewertung u.a. eine beglaubigte Grundbuchabschrift zur Verfügung gestanden habe. Eine Grundbucheinsicht sei nicht erfolgt (Blatt 42 der Vertragsakte). Bezüglich der Beschaffenheit des Grundstücks wies der Gutachter darauf hin, dass in Abteilung II keine Eintragungen enthalten seien (Blatt 43 der Vertragsakte). Den Bodenwert bezifferte der Gutachter mit 366.700 DM, den gesamten Verkehrswert des Grundstücks mit 1.210.000 DM.
Noch vor der Abgabe der Einkommensteuererklärung 1995 stellte die für die Kläger tätige Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden S-GmbH) dem Beklagten das Verkehrswertgutachten zur Verfügung. Die Bewertungsstelle, in deren Akten sich auch der Grundstückskaufvertrag befand, überprüfte das Gutachten und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die vom Sachverständigen vorgenommene Aufteilung des Grundstücks in Bauland, Bauerwartungsland sowie Grün- und Gartenland nicht gerechtfertigt sei. Vielmehr sei der Bodenwert mit 965.000 DM und der Verkehrswert des Grundstücks mit 1.800.000 DM anzusetzen. Nach weiterem Schriftwechsel, der in erster Linie die Frage nach der Betriebsaufgabe dem Grunde nach betraf, erklärte sich die zuständige Veranlagungsstelle des Beklagten nach Rücksprache mit der Bewertungsstelle bereit, vom Verkehrswert in Höhe von 1.800.000 DM noch Abschläge wegen Geräuschbelästigung sowie der unorganischen Bebauung des Grundstücks vorzunehmen und bei der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns von einen Gesamtverkehrswert von 1.650.000 DM (Bodenwert: 775.000 DM, Gebäudewert: 874.500 DM) auszugehen. Dazu brachte die S-GmbH vor, dass sich nach Vornahme der Abschläge ein Bodenrichtwert von 200 DM pro qm ergeben müsse. In der am 13. August 1997 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung 1995, an der die S-GmbH mitgewirkt hatte, war dementsprechend ein Betriebsaufgabegewinn in Höhe von 574.806 DM ausgewiesen und der Berechnung ein Grundstückswert von 1.607.000 DM (Bodenwert: 772.000 DM, Gebäudewert: 835.000 DM) zugrunde gelegt worden. Der betriebliche und damit entnommene Grundstücksanteil sollte danach 46,7 Vom Hundert betragen.
Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 1995 wich der Beklagte bei der Ermittlung des Aufgabegewinns insoweit von der Steuererklärung der Kläger ab, als an einem Verkehrswert des Grundstücks – bei einem betrieblichen Anteil von 46,7 vom Hundert – in Höh...