Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteueraufteilung für einen neu erworbenen und teils für steuerpflichtige, teils für steuerfreie Umsätze verwendeten Pkw nicht nach dem Umsatzschlüssel, sondern nach dem Verhältnis der anteiligen Fahrleistungen für das gesamte Kalenderjahr der Anschaffung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird ein Pkw nach der Anschaffung teils zur Erzielung steuerpflichtiger und teils zur Erzielung steuerfreier Umsätze verwendet, so ist die Vorsteueraufteilung für den Pkw auf Grundlage der Fahrleistung des Pkw vorzunehmen. Eine Aufteilung im Verhältnis der auf die steuerpflichtigen bzw. steuerfreien Umsätze entfallenden Fahrleistungen führt zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung als der Umsatzschlüssel.
2. Hat die Unternehmerin den neuen Pkw kurz vor Jahresende (hier: November) erworben und im Jahr der Anschaffung des Pkw bereits zuvor einen anderen „funktionsgleichen” Pkw für die gleichen Umsätze genutzt, ist für die Vorsteueraufteilung auf die tatsächliche Verwendung sowohl des alten als auch des neuen Pkw im gesamten Kalenderjahr, und somit auf die Gesamtfahrleistung im gesamten Kalenderjahr abzustellen.
3. Wird der neu angeschaffte Pkw ab der Anschaffung bis zum Jahresende in einem anderen Umfang als bei der Vorsteueraufteilung beim Kauf auf Basis der Gesamtfahrleistung für das Kalenderjahr ermittelt für steuerpflichtige bzw. steuerfreie Umsätze genutzt, ist insoweit eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG vorzunehmen. Es kann jedenfalls in Fällen, bei denen ein bereits vorhandenes Wirtschaftsgut durch ein funktionsgleiches ausgetauscht wird, zu einem Nebeneinander der Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG und § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG kommen.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 22 Buchst. a, Nr. 26, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 Sätze 1-3, § 15a Abs. 1; MwStSystRL Art. 173 Abs. 1, 2 Buchst. c; FGO § 96 Abs. 1 S. 1; AO § 162 Abs. 1
Tenor
1. Der Umsatzsteuerbescheid für 2014 vom 07.08.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.04.2020 wird dahingehend abgeändert, dass Umsatzsteuer in Höhe von 4.085,43 EUR festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils zur Hälfte.
3. Das Urteil ist wegen der der Klägerin zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der abziehbaren Vorsteuern aus der Anschaffung eines PKW im Jahr 2014 (Streitjahr) und eine daraus ggf. resultierende Vorsteuerberichtigung.
Die Klägerin ist Freiberuflerin […] und erzielt teilweise umsatzsteuerpflichtige und teilweise umsatzsteuerfreie Umsätze (Vorträge und Seminare) […]. Für die Fahrten zur Ausführung ihrer Umsätze nutzte die Klägerin in der Regel ihren dem Unternehmensvermögen zugeordneten PKW. Ausweislich von der Klägerin geführter Fahrtenbücher betrug der Anteil für Fahrten zur Ausführung umsatzsteuerfreier Umsätze:
• 2013 |
22,59 % |
• 2014 (gesamtes Jahr) |
14,97 % |
• 2014 (ab 11.11.2014): |
30,49 % |
• 2015: |
22,24 % |
• 2016: |
25,78 % |
• 2017: |
24,60 % |
• 2018: |
12,90 % |
Am 11.11.2014 erwarb die Klägerin einen neuen PKW zu einem (Netto-)Kaufpreis in Höhe von 56.731,11 EUR zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 10.778,91 EUR und nutzte diesen seither sowohl für Fahrten zur Ausführung umsatzsteuerpflichtiger als auch zur Ausführung umsatzsteuerfreier Umsätze. Den zuvor in ihrem Unternehmensvermögen gehaltenen PKW veräußerte die Klägerin kurz vorher umsatzsteuerpflichtig.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr meldete die Klägerin bei abziehbaren Vorsteuerbeträgen aus Rechnungen von anderen Unternehmen in Höhe von 12.950,33 EUR eine verbleibende Umsatzsteuer von 2.287,07 EUR an. Bei den geltend gemachten Vorsteuerbeträgen war der vollständige Vorsteuerbetrag aus der Anschaffung des PKW in Höhe von 10.778,91 EUR enthalten.
Nach einer Außenprüfung erkannte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) den geltend gemachten Vorsteuerbetrag aus der Anschaffung des PKW in Höhe von 30,49 % nicht an und kürzte den in 2014 abziehbaren Vorsteuerbetrag insoweit um 3.286,49 EUR (30,49 % × 10.778,91 EUR). Sodann setzte das FA – neben weiteren hier nicht streitigen Änderungen – mit Bescheid vom 07.08.2019 sowie unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung die Umsatzsteuer für das Streitjahr – unter Berücksichtigung von Umsatzsteuer auf steuerpflichtige Lieferungen, sonstige Leistungen und unentgeltliche Wertabgaben in Höhe von 15.235,64 EUR und unter Anerkennung von abziehbaren Vorsteuerbeträgen in Höhe von insgesamt 9.652,71 EUR – auf 5.582,93 EUR...