Entscheidungsstichwort (Thema)

Auch Aufwendungen für einen sog. Zwischenumzug sind Werbungskosten. Einkommensteuer 1987

 

Leitsatz (amtlich)

Zieht ein Steuerpflichtiger im Rahmen eines beruflich veranlassten Umzuges aufgrund einer angespannten Wohnraumsituation zunächst in eine Wohnung, die den Wohnbedürfnissen des Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung seiner Familienverhältnisse, seines Einkommens und seiner sozialen Stellung nicht entspricht (sog. Zwischenumzug), so sind die Aufwendungen für den späteren Umzug in die endgültige, angemessene Wohnung ebenfalls als beruflich veranlasst anzusehen, ohne dass es auf das Vorliegen zusätzlicher Umstände wie ein überwiegendes betriebliches Interesse oder eine Fahrtzeitersparnis ankommt.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2; LStR 1987 Absch. 26 Abs. 1

 

Tenor

I. Der Einkommensteuerbescheid 1987 vom 19. September 1988 wird geändert und die Einkommensteuer auf 42.902 DM festgesetzt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist für die Kläger hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, sofern nicht die Kläger ihrerseits Sicherheit leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen für einen sog. Zwischenumzug Werbungskosten sind.

Die Kläger (Kl.) sind vom beklagten Finanzamt (FA) für 1987 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagte Eheleute. Der Kl. ist Industriekaufmann, die Klägerin (Klin.) Hausfrau. Zur Familie der Kl. gehören zwei Töchter, die 1966 geborene … und die 1967 geborene …. Nach Beendigung seiner Berufstätigkeit in … war der Kl. ab Oktober 1981 bei einer Strumpffabrik in … angestellt. Die Kl. zogen deshalb im November 1981 nach … in eine 185 m² große Wohnung um. Für diesen Arbeitgeber war der Kl. 1985 sowie 1986 bis 30. April in der … tätig. Ab 01. Mai 1986 ist der Kl. alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der … in S.. Wegen des Arbeitsplatzwechsels bezogen die Kl. im Juni 1986 in … eine 105 m² große Dreizimmerwohnung mit einem 60 m² großen Wohn- und Eßzimmer, einem 15 m² großen Schlafzimmer sowie einem 8 m² großen Arbeitszimmer. Die restliche Wohnfläche entfiel auf Küche (7 m²), Bad und Diele (ca. 15 m²). Wegen zu geringer Wohnungsgröße mußten sie einen Teil ihrer Einrichtung bei Verwandten einlagern. Soweit der neue Arbeitgeber die Kosten für den Umzug von … nach … nicht übernahm, wurden diese im ESt-Bescheid 1986 der Kl. als Werbungskosten berücksichtigt. In den Jahren 1986 und 1987 studierte die Tochter Silke in …, die jüngere Tochter lebte in dieser Zeit im Haushalt der Eltern. Ende September 1987 gaben die Kl. ihre Wohnung in … auf und bezogen das 150 m² große, vier- bis fünfhundert Meter vom Arbeitsplatz des Kl. entfernte Wohnhaus … in …. Nachdem der Arbeitgeber die Umzugsaufwendungen nicht übernommen hatte, machte der Kl. diese in der ESt-Erklärung 1987 in Höhe von 7.026,61 DM als Werbungskosten bei den Arbeitseinkünften geltend. Der Bruttoarbeitslohn des Kl. betrug 1987 ca. 215.000 DM.

Im ESt-Bescheid 1987 vom 19. September 1998 ließ das FA die Aufwendungen nicht zum Abzug zu, da es an einer beruflichen Veranlassung für den Umzug fehle.

Die Kl. legten hiergegen am 2 S. September bzw. 30. September 1988 Einspruch ein. Zur Begründung des Rechtsbehelfs legten sie Bescheinigungen vom 14. Oktober 1988 sowie 25. November 1988 des Arbeitgebers mit folgendem Inhalt vor: Der Umzug von … nach … sei dringend betrieblich erforderlich gewesen, weil die Mehrschichtproduktion jederzeitige Anwesenheit und direkte Erreichbarkeit des Kl. als Geschäftsführer unbedingt erfordert habe. Wegen Umstrukturierung des Betriebs 1986 Anfang 1987 habe sich diese Notwendigkeit noch verstärkt. Im übrigen sei bei Einstellung Wohnungsnahme in unmittelbarer Betriebsnähe vereinbart worden. Da der Zwischenumzug bezahlt worden sei, hätten die Kosten des Umzugs nach … nicht mehr Übernommen werden können. Der Kl. habe nach Abschluß des Arbeitsvertrags z. B. durch Inserate, Kontakte mit der Gemeinde sowie Kreditinstituten und Aushängen im Betrieb erfolglos ein geeignetes Wohnobjekt in Schenkenzell gesucht. Das FA wies den Einspruch durch Entscheidung vom 18. Januar 1989 als unbegründet zurück, da die Kl. in … nicht nur kurzfristig eine angemessene Wohnung genutzt hätten, betriebliche Gründe für die Notwendigkeit, in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes zu wohnen, nicht überzeugend dargelegt worden seien und der Umzug in das 5 km entfernte … zu keiner wesentlichen Ersparnis von Fahrzeit geführt habe.

Zur Begründung der am 16. Februar 1989 erhobenen Klage, mit der die Kl. ihr Begehren weiterverfolgen, lassen diese im wesentlichen folgendes vortragen: Der Umzug sei aus beruflichen Gründen veranlaßt. Die Wohnung in … habe nicht ihren Lebensbedürfnissen entsprochen. Bereits bei deren Bezug sei eine andere Wohnung gesucht worden. Es sei nicht zumutbar, wenn die beiden Töchter, die ältere habe di...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge