Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzbesteuerung der Fußreflexzonenmassage
Leitsatz (redaktionell)
1. § 4 Nr. 14 UStG setzt bei richtlinienkonformer Auslegung nur voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür die erforderliche berufliche Qualifikation besitzt.
2. Die Tätigkeit eines Fußreflexzonenmasseurs ist eine Heilbehandlung i. S. v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten MwSt-RL.
3. Der für die Umsatzsteuerbefreiung erforderliche berufliche Befähigungsnachweis ergibt sich daraus, dass die Reflexzonenmassage Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung war, unabhängig davon, ob sie als Kassenleistung tatsächlich erstattet wurde.
4. Die Streichung einer Behandlungsmethode aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse ist kein umsatzsteuerlich beachtlicher Sachgrund, soweit der Leistungsausschluss nicht auf der beruflichen Qualifikationen der Behandelnden und der Qualität der erbrachten Leistungen beruht.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14; Sechste MwST-RL Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c; SGB V § 124 Abs. 2
Tenor
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 5. Januar 1996 und 24. September 1997 werden die Umsatzsteuerbescheide 1991 bis 1995 geändert. Die Umsatzsteuer für die Jahre 1991 bis 1995 wird jeweils auf 0 DM festgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Leistungen des Klägers als Fußreflexzonenmasseur von der Umsatzsteuer befreit sind.
Der Kläger hatte im Jahr 1983 eine Praxis für medizinische Fußpflege eröffnet. Zum Jahresende 1986 meldete er dieses Gewerbe ab und war seit 1987 als Fußreflexzonenmasseur tätig. Wissensgrundlage seiner Berufsausübung waren neben seiner früheren Tätigkeit als Kranken- und Altenpfleger verschiedene Fortbildungsveranstaltungen. Im Jahr 1983 absolvierte er beim Bildungswerk der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft eine Ausbildung zum medizinischen Fußpfleger und machte im gleichen Jahr bei der Lehranstalt für manuelle Therapie einen Lehrgang über Fuß-Reflexzonen-Massage. Im Jahr 1991 bestand er beim X Institut die Abschlussprüfung zum Heilpraktiker, konnte diesen Beruf mangels staatlicher Erlaubnis aber nicht ausüben. Das Verwaltungsgericht hatte es mit Urteil vom 23. April 1998 (5 K 3584/96) abgelehnt, dem sich einer staatlichen Eignungsprüfung verweigernden Kläger eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz – HeilprG – zu erteilen, wobei es in seiner Tätigkeit als Fußreflexzonenmasseur eine erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde i.S. des § 1 Abs. 2 HeilprG sah. Diese Auffassung hatte bereits das Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Familie und Frauen – in seinem Schreiben vom 28. Februar 1992 vertreten (Bl. 49 d.A.), die das Sozialministerium mit Schreiben vom 10. Februar 1999 bestätigte. Allerdings war der Kläger nach den Angaben der T Krankenkasse vom 25. September 1995 (Bl. 21 d.A.) eine zugelassene Hilfsperson i. S. v. § 28 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Das FA ging nach einer im April 1991 durchgeführten Außenprüfung für die Jahre 1987 bis 1989 davon aus, dass die Tätigkeit des Klägers als Fußreflexzonenmasseur die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und damit auch die des § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes 1991 und 1993 (UStG) nicht erfülle. Es erließ deshalb für die Jahre 1991 bis 1994 auf der Grundlage der Einnahmen-Überschuss-Rechnungen des Klägers geschätzte Umsatzsteuerbescheide sowie Vorauszahlungsbescheide für 1995, in denen es die Umsätze des Klägers als steuerpflichtig behandelte. Die Vorauszahlungsbescheide für 1995 wurden im Laufe des Klageverfahrens durch den Umsatzsteuerbescheid 1995 vom 16. Februar 1999 ersetzt (§ 68 Finanzgerichtsordnung – FGO a. F.).
Die Klage wurde nach erfolglosem Vorverfahren im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 20. Juni 2000 abgewiesen (1 K 13/96 und 1 K 184/97, EFG 2000, 948). Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, die Befreiungsvoraussetzungen der streitigen Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG seien nicht erfüllt, weil die Sozialversicherungsträger die Behandlungsleistungen des Klägers in den Streitjahren nicht als Regelleistung erstattet hätten. Die vom Kläger zum Nachweis vorgelegten Unterlagen belegten lediglich, dass die Behandlungskosten von den gesetzlichen Krankenkassen jeweils nur nach Prüfung des Einzelfalles erstattet worden seien.
Auf die Revision des Klägers...