rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehungszeitpunkt der Schenkungsteuer bei Grundstücksschenkung durch noch nicht verfügungsberechtigte Schenkerin und Bewertung dieser Schenkung; Streitwert bei teilentgeltlicher Grundstücksschenkung
Leitsatz (redaktionell)
1. Soll nach dem eindeutigen Inhalt eines Schenkungsvertrags Gegenstand einer Schenkung eine von der Schenkerin kurz zuvor erworbene und bereits bezahlte Immobilie sein, hinsichtlich derer die Schenkerin noch nicht Eigentümerin geworden ist und über die sie als Nichtberechtigte (§ 185 BGB) verfügt hat, und erklären die Parteien im Schenkungsvertrag bereits die Auflassung für die Immobilie und die Bewilligung der Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch, dann gilt Schenkung als zum Zeitpunkt des Schenkungsvertrags im Sinne von § 9 Abs.1 Nr.2 ErbStG 1974 ausgeführt, wenn zu diesem Zeitpunkt zwar hinsichtlich des Grundstückskaufvertrags der Schenkerin noch keine Auflassungerklärung abgegeben und auch keine Einwilligung zur Eigentumsumschreibung erteilt worden war, wenn beides aber später rückwirkend nachholt wird und die Schenkerin ansonsten alles zum Vollzug der Schenkung Erforderliche getan hatte.
2. Wurde diese Schenkung noch im Jahr 1995 ausgeführt, so war sie nach den vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 22.6.1995 2 BvR 552/91, BStBl II 1995, 671) für verfassungswidrig, aber bis zum 31.12.1995 weiter für anwendbar erklärten Regelungen in § 12 Abs.2 ff. ErbStG 1974 mit dem Einheitswert zuzüglich des Zuschlags nach § 121a BewG 1974 und nicht etwa mit gemeinen Wert des -zum Zeitpunkt der Schenkung bestehenden, auf Übertragung des Eigentums gerichteten- Sachleistungsanspruchs der Schenkerin zu bewerten (im Urteilsfall: Heranziehung des zum 1.1.1996 festgestellten Einheitswerts).
3. Zur Berechnung des Streitwerts einer teilentgeltlichen Grundstücksschenkung (lebenslängliche Geldrente als Gegenleistung, Berechnung des Kapitalwerts dieser Geldrente nach § 14 Abs.2 BewG 1974 bei vorzeitigem Tod der Schenkerin).
Normenkette
ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 516 Abs. 1, §§ 873, 925; BewG 1974 § 12 Abs. 2-4, § 121a; GG Art. 3 Abs. 1; BewG 1974 §§ 9, 14 Abs. 2; BGB §§ 185, 184
Tatbestand
Schenkerin (im folgenden auch: Zuwendende und Käuferin) ist die am … 1913 geborene und am … 1997 verstorbene …, wohnhaft gewesen in … Dort wohnten auch die Schwestern der Schenkerin. Beide sind ebenfalls bereits verstorben. Die Schwester … (Hinweis auf Ziffer III. des Schenkungsvertrags vom 4. Oktober 1995) wurde am … 1907 geboren und ist gestorben am … 1996; die Schwester … wurde am … 1910 geboren und ist am … 993 gestorben. Alle Schwestern haben keine Abkömmlinge. Keine der Schwestern war verheiratet gewesen. Der Kläger (Kl) ist Testamentsvollstrecker bezüglich des Nachlasses der Schenkerin. An deren Nachlaß sind eine Vielzahl von Erben beteiligt.
Beschenkte (Zuwendungsempfänger) aufgrund des hier in Frage stehenden Schenkungsvertrags vom 4. Oktober 1995 sind der am … 1945 geborene Kl und seine, am … 1948 geborene Ehefrau. Die Eheleute sind seit dem …1970 verheiratet. Der Kl gab bereits in der beim Beklagten (dem Finanzamt – FA) für den Veranlagungszeitraum 1982 eingereichten Einkommensteuererklärung als ausgeübten Beruf „Rentner” an, die Ehefrau des Kl „Hausfrau”. Der Kl hatte zuvor den Beruf eines „Krankenpflegers” ausgeübt (vgl. Angaben im Kopf des Schreibens des Kl vom 14. März 1996 – Bl. 8a der Schenkungsteuerakten; Anlagen 4 und 5 zum Schreiben des Kl vom 9. September 1998).
Zwischen dem Kl und den Schwestern … bestand seit dem Jahr 1988 ein persönlicher Kontakt, in der Folgezeit auch zwischen der Ehefrau des Kl und den Schwestern … Der Kl und seine Ehefrau haben die hochbetagten Geschwister betreut (Hinweis auf den Aktenvermerk über einen Telefonanruf des Kl vom 16. Juli 1996, Bl. 23 der Schenkungsteuerakten). Sie haben deren Wäsche gereinigt, sie regelmäßig besucht (dabei der Kl fast täglich) und teilweise auch ihre Wohnung gereinigt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die den Beteiligten bekanntgegebene Niederschrift zum Termin vom 25. Juni 1998 zur Erörterung des Sach- und Streitstandes (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-: im folgenden: Erörterungstermin) Bezug genommen.
Am28. September 1995 schloß die Schenkerin als Käuferin mit der Fa. … (im folgenden: I-GmbH) als Verkäuferin einen Kaufvertrag ab. Der Vertrag wurde notariell beurkundet von dem Notar … vom Notariat … Kaufgegenstand war das zuvor gebildete Wohnungs- bzw. Teileigentum, das sich wie folgt zusammensetzt:
Miteigentumanteil von 135/1000 und 1/1000 an dem Grundstück
Gemarkung …
Flst. 2785 …
Gebäude- und Freifläche 6,23 a
verbunden mit dem Sondereigentum an
der Wohnung im Dachgeschoß rechts nebst einem Abstellraum im Untergeschoß
– Aufteilungsplan Nr. 6 – (Hinweis auf Bl. 99-110 der FG-Akten)
einem Kraftfahrzeugabstellplatz in der Tiefgarage
– Aufteilungsplan Nr. PKW 6 – (Bl. 106 der FG-Akten)
eingetragen im Wohnungsgrundbuch von … Bl. 7306...