Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Ausländern mit zeitlich beschränkter Aufenthaltsbefugnis von der Kindergeldberechtigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Ausländer, der nur eine Aufenthaltsbefugnis i.S. des § 30 AuslG besitzt, hat keinen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld.
2. Es begegnet weder ernstlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, Ausländer mit einer zeitlich begrenzten Aufenthaltsbefugnis von der Kindergeldberechtigung auszuschließen, noch lässt sich ein Kindergeldanspruch aufgrund der völkerrechtlichen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei begründen.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 2 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6; AuslG § 30; Assoziationsabkommen EWG/Türkei Art. 3-4
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 10.07.2001; Aktenzeichen VI R 129/00) |
Tatbestand
Der Kläger (Kl) ist verheiratet. Er und seine Ehefrau sind türkische Staatsangehörige. Sie halten sich zusammen mit ihren beiden Kindern seit 1990 in der Bundesrepublik auf. Nachdem ihr Aufenthalt ursprünglich nur geduldet war, erhielten sie am 27. November 1997 eine zeitlich beschränkt gültige Aufenthaltsbefugnis.
Am 16. Dezember 1997 stellte der Kl einen Antrag auf Gewährung von Kindergeld für folgende Kinder:
… |
geb. …1988 |
… |
geb. … 1990. |
Dieser Antrag wurde durch Bescheid vom 20. Januar 1998 vom Beklagten (Bekl) unter Hinweis auf § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) abgelehnt.
Der hiergegen am 26. Januar 1998 eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg und wurde durch Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 1998 als unbegründet zurückgewiesen. Bezüglich des Inhalts der Einspruchsentscheidung wird auf die bei den finanzgerichtlichen Akten befindliche Kopie (Bl. 50 FG-Akten) Bezug genommen.
Hiergegen ließ der Kl am 16. März 1998 durch seine Prozeßvertreter Klage auf Gewährung von Kindergeld erheben. Er stützt seinen Anspruch auf Art. 3 und 4 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates (EWG-Türkei) vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft der türkischen Arbeitnehmer und deren Familienangehörigen. Als türkischer Arbeitnehmer falle er unter den persönlichen Geltungsbereich dieser Norm. Kindergeld sei eine Familienleistung im Sinne des Assoziationsabkommens. Aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Diskriminierungsverbots müsse der Kl Deutschen in Bezug auf das Kindergeld gleichgestellt werden. Der Europäische Gerichtshof habe sich bisher nur einmal mit dem Assoziationsabkommen beschäftigt und festgestellt, daß es am Tage seines Erlasses in Kraft getreten sei und seither die Vertragsparteien binde. In der Entscheidung finde sich der Satz „Die Verbindlichkeit der Beschlüsse des Assoziationsabkommens könne nicht vom Erlaß von Durchführungsmaßnahmen durch die Vertragsparteien abhängen”.
Ferner habe das Sozialgericht Aachen mit Beschluß vom 24. Juli 1996 dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob ein türkischer Arbeitnehmer unmittelbar aus Art. 3 ARB 3/80 einen Anspruch auf deutsches Kindergeld erheben könne.
Der Kl beantragt,
die Bescheide vom 20. Januar 1998 und 12. Februar 1998 aufzuheben und den Bekl zu verpflichten. Kindergeld entsprechend seinem Antrag vom 16. Dezember 1997 zu gewähren.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, da der Kl lediglich eine Aufenthaltsbefugnis im Sinne des § 30 des Ausländergesetzes (AuslG) besitze, habe er nach § 62 Abs. 2 EStG keinen Anspruch auf Kindergeld. Daß dies mit der herrschenden Rechtslage übereinstimme, ergebe sich aus dem Beschluß des BFH vom 14. August 1997 (VI B 43/97, nicht veröffentlichte Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 1998, 69). Soweit sich der Kl noch darauf berufe, für ihn als türkischen Staatsangehörigen müsse sich der Anspruch auf Kindergeld aus dem Assoziationsratsbeschluß vom 19. September 1980 ergeben sei zu sagen, daß dieser Beschluß schon deshalb keine Auswirkung auf den Rechtsstreit haben könne, da es sich hier nicht um Kindergeld als Sozialleistung nach dem BKGG handele, sondern um steuerrechtliches Kindergeld nach dem EStG. Insoweit gehe auch der Hinweis auf den Vorlagebeschluß zum EuGH fehl. Im dortigen Verfahren habe es sich offensichtlich um sozialrechtliches Kindergeld gehandelt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG in der ab 1. Januar 1996 geltenden Fassung hat ein Ausländer nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung ist. Aufgrund dieser Regelung ist der Kreis der anspruchsberechtigten Ausländer erheblich eingegrenzt. Von den vier Arten der Aufenthaltsgenehmigung im Sinne des § 5 Ausländergesetz (AuslG) können nur zwei Arten die Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG begründen, nämlich nur die Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 15 AuslG und die Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 27 AuslG (vgl. Bundesfinanzhof –BFH– Beschluß vom 14. August 1997 VI B 43/97, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BF...