Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Nachweis einer Zustellung im Ausland (Schweiz) nach § 9 VwZG. Versendung eines Bescheids an nicht mehr aktuelle Anschrift
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat das Hauptzollamt die Eidgenössische Zollverwaltung auf Grundlage von Art. 5 des Zusatzprotokolls über die gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich zum Abkommen vom 2.6.1997 (97/403/EG) um Zustellung eines Einfuhrabgabenbescheids an den Abgabenschuldner in der Schweiz ersucht und bestreitet der Schuldner den Erhalt des Bescheids, so ist die Zustellung des Einfuhrabgabenbescheids in der Schweiz nur wirksam, wenn aus dem Zustellzeugnis der Eidgenössischen Zollverwaltung erkennbar ist, in welcher Form die Zustellung erfolgte, ob das Schriftstück durch Übergabe an den Adressaten persönlich oder auf andere Weise zugestellt wurde, welcher Person der Bescheid letztlich übergeben wurde und in welcher Beziehung diese Person zu dem Abgabenschuldner steht (Anschluss an BVerwG, Urteil v. 20.5.1999 – 3 C 7/98, BVerwGE 109, 115; FG Hamburg, Urteil v. 24.9.2003 – IV 280/00, EFG 2004, 164 sowie FG Düsseldorf, Urteil v. 15.1.1988 – 15 K 259/86 U, EFG 1988, 267).
2. Ist der Bescheid dem Kläger unter der Anschrift einer anderen Firma in der Schweiz zugestellt worden, so erbringt ein Rückschein der Swiss Post keinen Beweis in Bezug auf den Erhalt des Bescheids, wenn daraus lediglich erkennbar ist, dass eine Person in Vertretung „i.V.”) das zuzustellende Schriftstück entgegengenommen hat, wenn diese Person aber weder namentlich bekannt ist (unleserliche Unterschrift) noch angenommen werden kann, dass es sich dabei um eine beim Kläger angestellte Person gehandelt hat und wenn es auch keine Hinweise darauf gibt, dass der Kläger selbst unter der Zustellungsadresse ein Unternehmen betrieben hat.
3. Ist ein Bescheid durch einfachen Brief an eine inländische Adresse versandt worden, von der sich der Bescheidadressat bereits zuvor in die Schweiz abgemeldet hat, und bestreitet der Adressat den Erhalt des Bescheids, so kann aus dem Umstand, dass es offensichtlich zu keinem Postrücklauf gekommen ist, nicht geschlossen werden, der Bescheid sei dem Adressaten zugegangen.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2, § 124 Abs. 1 S. 1; VwZG § 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 2; ZK Art. 221 Abs. 3; ZPO § 418; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 20. Januar 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2017 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob im Zusammenhang mit der Einfuhr eines PKW Einfuhrabgaben zu Recht festgesetzt wurden.
Der Kläger war Mitglied und sein Bruder, B A, Präsident des Verwaltungsrates der in der Schweiz ansässigen A AG, deren Geschäftszweck u.a. der Handel mit Kraftfahrzeugen war. Die streitgegenständlichen Abgaben stehen im Zusammenhang mit der Einfuhr zweier Fahrzeuge, Mercedes-Benz S 63 AMG und Mercedes-Benz ML 63 AMG, am 14. Januar 2011 aus der Schweiz in das Zollgebiet der EU. Das Hauptzollamt (HZA) war zunächst davon ausgegangen, dass wegen Pflichtverletzung im Verfahren der vorübergehenden Verwendung nach Art. 204 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK) für die genannten Fahrzeuge Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 38.934 EUR (12.600 EUR Zoll sowie 26.334 EUR Einfuhrumsatzsteuer) entstanden seien, und hatte diese mit Bescheid vom 16. Februar 2011 ausschließlich gegenüber der A AG festgesetzt. Gegen diesen Bescheid hatte die A AG nach erfolglosem Vorverfahren Klage erheben sowie einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen lassen. Während das Klageverfahren mit Beschluss vom 12. August 2013 ohne Entscheidung in der Sache im Register des Gerichts gelöscht wurde, nachdem über die A AG durch Entscheid des Kantonsgerichts vom 20. März 2012 der Konkurs eröffnet und diese am 1. Oktober 2012 aus dem schweizerischen Handelsregister gelöscht worden war, hatte der Aussetzungsantrag teilweise Erfolg. Der Senat hatte nämlich im dortigen Verfahren festgestellt, dass durch das Anbringen von deutschen Kurzzeitkennzeichen nach der Einfuhr die beiden Fahrzeuge zwar der zollamtlichen Überwachung entzogen und die Einfuhrabgaben daher dem Grunde nach zu Recht festgesetzt worden seien, dass nach Aktenlage aber die A AG allenfalls gesamtsc...