Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Gebühr für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Mindestgegenstandswert
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Gebührenpflichtigkeit der Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 3 S. 1 AO ist verfassungsgemäß, da es sich um eine „individuelle Dienstleistung” der Finanzverwaltung handelt, die dem Auskunftssuchenden einen individuellen Vorteil gewährt. Ein verfassungsrechtlich bedenklicher Eintriff in die Berufsausübung steuerberatender Berufe liegt nicht vor.
2. Die gebührenpflichtige verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 3 AO unterscheidet sich von der gebührenfreien „verbindlichen Zusage” einer Außenprüfung nach §§ 204 ff. AO dadurch, dass es um die Beurteilung eines vom Steuerpflichtigen nicht verwirklichten, hypothetischen Sachverhalts geht.
3. Die Komplexität des Steuerrechts zwingt den Staat nicht, verbindliche Auskünfte gebührenfrei anzubieten.
4. Die Erhebung einer Mindestgebühr für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
AO § 89 Abs. 2-5, § 204 ff.; GKG § 34; StBGebV § 13 S. 2; GG Art. 100 Abs. 1 S. 1, Art. 108 Abs. 5 S. 2; FGO § 100 Abs. 1 S. 1, § 45 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gebührenpflicht für eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).
Der Kläger beantragte beim beklagten Finanzamt (FA) im Januar 2007 eine verbindliche Auskunft zu der Frage, ob er Flugkosten zu Seminaren oder Kongressen als Betriebsausgaben für seine freiberufliche Dozententätigkeit abziehen kann. Nach seiner Rechtsauffassung seien die Flugkosten als Betriebsausgaben abziehbar, weil sie unmittelbar durch die jeweiligen Veranstaltungen und damit betrieblich veranlasst seien. Der Abzugsfähigkeit stehe nicht entgegen, dass die Reisen auch mit dem zum Betriebsvermögen gehörenden Pkw hätten durchgeführt werden können. Das Flugzeug werde genutzt, um die Abwesenheitszeiten am Betriebssitz in X zu reduzieren. Es würden nur Vortragsorte wie Berlin, Hamburg und gegebenenfalls Münster angeflogen. Die damit verbundene Zeitersparnis habe keine private ins Gewicht fallende Mitveranlassung. Die anfallenden Flugkosten schätzte der Kläger mit 1.000 EUR im Kalenderjahr.
In seiner verbindlichen Auskunft vom 10. Januar 2007 stimmte das FA der Rechtsauffassung des Klägers zu. Kosten für Flüge zu Seminaren und Kongressen seien Betriebsausgaben, wenn der Flug ausschließlich durch die Teilnahme an den Seminaren oder Kongressen verursacht sei. Werde die Reise allerdings mit einem privaten Aufenthalt am Seminarort verbunden, seien die Kosten insgesamt nicht abzugsfähig. Ob in einem solchen Fall gleichwohl eine Aufteilung der Flugkosten in einen beruflichen und privaten Anteil in Frage komme, sei zur Zeit Gegenstand eines Verfahrens, welches beim Großen Senat des Bundesfinanzhofs anhängig ist (GrS 1/06).
Mit Bescheid vom 24. Januar 2007 setzte das FA für die Bearbeitung des Antrags auf verbindliche Auskunft eine Gebühr von 121 EUR fest. Der Gebührenfestsetzung lag ein Mindestgegenstandswert von 5.000 EUR zu Grunde.
Der Kläger hat gegen den Gebührenbescheid Sprungklage erhoben. Er trägt vor, in Anbetracht der dem deutschen Steuerrecht systemimmanent gewordenen Rechtsunsicherheit könne dem Steuerpflichtigen und den ihn beratenden Berufen nur durch verbindliche Auskünfte Verlässlichkeit verliehen werden. Es sei treuwidrig, wenn der Gesetzgeber einerseits ein nicht mehr durchschaubares Steuerrecht schaffe und dem Bürger anderseits nur durch eine kostenpflichtige Auskunft Rechtssicherheit gebe. Das verstoße gegen die allgemeine Betreuungspflicht der öffentlichen Gewalt gegenüber dem Bürger. Die Gebühr für eine verbindliche Auskunft könne daher nicht durch die Abschöpfung eines Sondervorteils gerechtfertigt werden. Die Gebührenpflicht sei auch keine zulässige Lenkungsnorm, um Bürger von verbindlichen Auskunftsanträgen abzuhalten. Die Höhe der festgesetzten Gegenstandsgebühr verstoße gegen das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip. Soweit die Finanzverwaltung statt der Gegenstandsgebühr eine Zeitgebühr festsetze, überschreite die Mindestgebühr von 50 EUR je angefangener halber Stunde die Zeitgebühr nach der Steuerberater-Gebührenverordnung (StBGebV). Allgemein sei fraglich, ob die Regelung der verbindlichen Auskunft gegen das Rechtsberatungs- oder das Steuerberatergesetz verstoße, weil die Finanzverwaltung damit in Konkurrenz zu den steuerberatenden Berufen gerate.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 24. Januar 2007 aufzuheben, hilfsweise dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 89 Abs. 3 bis 5 AO i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 verfassungsgemäß sei, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es stimmt der Sprungklage zu und ve...