rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Abzugsfähigkeit einer Kartellbuße am Maßstab des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG. Bemessung des abgeschöpften wirtschaftlichen Vorteils. Ermittlungspflicht bei hinsichtlich des Abschöpfungs- und des Ahndungsteils unbestimmten Bußgeldbescheiden. Auslegung der Begriffe „Mehrerlös” und „Wirtschaftlicher Vorteil”. Körperschaftsteuer 1988
Leitsatz (amtlich)
1. Trifft ein Bußgeldbescheid keine Aussage zur Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils und sind auch die Erläuterungen der Bußgeldbehörde aufgrund eines anderen methodischen Ansatzes nicht hilfreich, muss das FA bzw. das FG für die Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG auf der Grundlage bußgeldrechtlicher Bestimmungen in eigener Verantwortung prüfen und entscheiden, ob, in welchem Umfang und in welcher Weise (d. h. brutto oder netto) mit der festgesetzten Geldbuße der aus dem Rechtsverstoß erlangte wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft wurde.
2. Im Rahmen der Prüfung der Abzugsfähigkeit einer Geldbuße am Maßstab des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG ist zunächst festzustellen, in welchem betragsmäßigen Umfang die festgesetzte Geldbuße der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils diente, und sodann, ob der wirtschaftliche Vorteil brutto oder netto, also unter Berücksichtigung der Ertragsteuern festgesetzt wurde.
3. Die Schätzung des Ahndungsanteils einer nach der Methode des Mehrerlöses vom Bundeskartellamt ermittelten Kartellbuße ist nicht auf den nach § 38 Abs. 4 GWB (jetzt: § 81 Abs. 2 GWB 1999) regulär –ohne mehrerlösbezogene Erhöhung– festzusetzenden Höchstbetrag begrenzt.
4. Der Begriff des „wirtschaftlichen Vorteils” beinhaltet gegenüber dem des „Mehrerlöses”, der nur die Mehreinnahmen ohne Abzug der damit verbundenen Kosten und Steuern erfasst, auch Kostenersparnisse sowie andere –auch immaterielle– Vorteile. Der Mehrerlös bestimmt jedoch die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils wesentlich.
5. Schätzung des Sanktionierungsanteils einer vom Bundeskartellamt gegen einen Neben betroffenen, dessen Geschäftsführer sich an der Durchführung wettbewerbsbeschränkender Absprachen über Absatzquoten beteiligt hat, festgesetzten Geldbuße unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auf einen Betrag von 25 v. H. des Mehrerlöses.
6. Zur Sockelfunktion des wirtschaftlichen Vorteils für die Geldbußenbemessung.
Normenkette
EStG 1992 § 4 Abs. 5 Nr. 8 S. 4, Abs. 5 S. 1, Abs. 5 Nr. 8 S. 1; EStG 1990 § 52 Abs. 5a; AO 1977 § 88 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1 S. 1; KStG § 8 Abs. 1; OWiG § 17 Abs. 4 S. 1; GWB § 38 Abs. 4 S. 1, § 81 Abs. 2 S. 1; OWiG § 30
Tenor
1. Die zuletzt durch Bescheid vom 24. Mai 1994 geänderte Festsetzung der Körperschaftsteuer 1988 wird dahin geändert, dass ihr ein um DM … geringeres zu versteuerndes Einkommen zugrunde gelegt wird. Die Steuerberechnung wird dem beklagten Finanzamt übertragen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin ¾ und das Finanzamt ¼.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des mit Kostenfestsetzungsbeschluss errechneten Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob vom Bundeskartellamt festgesetzte Geldbußen das zu versteuernde Einkommen der Klägerin mindern oder ob dies im Hinblick auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeschlossen ist.
Die der unbeschränkten Körperschaftsteuer (KSt)-Pflicht unterliegende Klägerin betreibt auf den Gemarkungen der Gemeinden E und G, in welchen für die Jahre 1984 bis 1988 jeweils ein Gewerbesteuerhebesatz von 310 % galt, eine … fabrik. Durch Bußgeldbescheid vom 12. Dezember 1988 setzte das Bundeskartellamt unter anderem gegen sie als Nebenbetroffene wegen der durch ihre Geschäftsführer veranlassten und von Januar 1981 bis März 1988 erfolgten Teilnahme an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen (Ordnungswidrigkeiten nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 u. 8 des Gesetzes wegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der für das Streitjahr geltenden Fassung) nach § 30 Abs. 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) in der seinerzeit geltenden Fassung Geldbußen in Höhe von … Mio. DM fest. Zur Bemessung der Geldbußen hat die Kartellbehörde in der Begründung des Bußgeldbescheids, auf den wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, u. a. anderem folgendes ausgeführt (vgl. dort die Seiten 17ff.):
„Die Geldbußen sind aufgrund des Bußgeldrahmens des § 38 Abs. 4 GWB unter Beachtung von § 17 OWiG festgesetzt worden.
…
Bei der Bemessung der Geldbußen gegen die Nebenbetroffene waren ebenfalls die Dauer und Intensität der Verstöße sowie der Umstand, daß sie in der … industrie einen erheblichen Rückhalt besitzt, zu berücksichtigen. Ferner war zu berücksichtigen, daß der Nebenbetroffenen durch ihre Teilnahme am Kartell erhebliche Mehrerlöse zugeflossen sind. Denn die Preise haben durc...